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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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vertragen meine Nerven nicht. Ich fahre hier nicht zu meinem Vergnügen. Wir müssen unbedingt zurück nach Omaha!«
    »Wohin wir auch gelangen werden, sicher gelangen werden! Seien Sie vollkommen beruhigt! Ich kenne unsere Strecke wie meine Tasche.« Der Dreißigjährige spielte Überlegenheit.
    »Also wissen Sie auch«, stichelte der jüngere, »daß diese Strecke seit etwa zwei Jahren von einer rätselhaften Bande unsicher gemacht wird?«
    Die Wangen des jungen Mädchens färbten sich wieder rot. Das stand ihr nicht schlecht. »Wirklich? Was wissen Sie darüber?«
    »Cate«, griff die alte Dame ein, »des Abends keine Schauergeschichten! Ich liebe das nicht, und es ist ungesund, und deine Nerven vertragen es nicht, seit du als Kind den Schock in Minnesota erlebt hast. ­ Aber Sie kennen also diese Strecke, mein Herr?«
    »Mit gebaut«, brüstete sich der Mann mit dem schütteren Haar jetzt unter der Maske eines bescheiden- gleichgültigen Tones und stellte sich bei dieser Gelegenheit vor: »Henry Henry.«
    »Das klingt gut. Ein Firmenname?«
    »Ingenieur.«
    »Oh, das ist hier auf der Strecke sehr beruhigend.«
    »Roach!« stellte sich der jüngere vor. »Leutnant.«
    Die alte Dame schlug die fleischigen kleinen Hände zusammen. »Welch günstiges Zusammentreffen! Was für ein sicherer Schutz für uns! Nun erzählen Sie nur, erzählen Sie! Eine rätselhafte Bande ist am Werk?«
    »Tante Betty«, mahnte Cate, »bitte schone deine Nerven.«
    »Ach, sei still, Kind. Also?« Die Augen hinter dem Lorgnon gierten nach Gruselgeschichten.
    Die beiden Herren sahen sich an und beschlossen, sich vorläufig keine Konkurrenz mehr zu machen, sondern sich die Bälle zuzuspielen. Daß sie in dem wenig besetzten Waggon mit einer Erbtante und ihrer unglücklichen Nichte zusammensaßen, die als charity-child aufgezogen wurde, war ihnen schon kurz nach San Francisco bekanntgemacht worden. Diese Nichte war sicher keine schlechte Partie für einen jungen Mann, der Karriere im Sinne hatte.
    »Das Rätselhafte an der Sache ist«, erklärte Henry, »daß die Banditen eben keine Bande zu sein scheinen. Es sind keine Spuren zu finden, die auf eine größere Gruppe deuten. Es sind überhaupt keine Fährten zu finden, nicht einmal solche, die zu den verfluchten Dakota führen, die wir zuerst im Verdacht hatten. Aber auf einmal ist eine Schiene sachverständig gelockert, offenbar mit gutem, natürlich gestohlenem Werkzeug. Dann wird ein Lokomotivführer mitten während der Fahrt abgeschossen …«
    »Aber das ist doch entsetzlich! Was hat man dagegen unternommen?«
    »Absolut wirkungsvolle Maßnahmen. Drei Banden von Tramps sind abgefangen und unschädlich gemacht worden.«
    »Die militärischen Kräfte werden in den Gegenden hier demnächst sehr verstärkt«, beeilte sich der Leutnant hinzuzufügen. »Wir werden die Dakota zu Paaren treiben, noch ehe sie an einen Aufstand oder weitere Verbrechen denken können.«
    »Aber warum denn plötzlich Aufstand?« rief die alte Dame.
    »Nur so dahingesagt, es kommt natürlich nicht dazu, nach unseren Maßnahmen. Das Land wird zivilisiert.«
    »Das sagt mein Vater auch immer«, warf Cate ein. »Er ist Offizier und geht bald auf eine weit vorgeschobene Grenzstation in den westlichen Prärien.«
    Die alte Dame wußte zu verhindern, daß die jungen Herren auf diese Bemerkung eingingen. »Sobald die Indianer gebändigt sind, hören auch die Verbrechen und die Bandenbildung auf«, betonte sie.
    »Sagten Sie nicht, die Verbrechen seien weder von den Indianern noch von einer Bande verübt worden?« fragte das junge Mädchen den Ingenieur.
    »Cate, bitte, sprich nicht immer so vorlaut und unsachverständig. Die Herren müssen es ja nun wirklich besser wissen, da sie die Strecke kennen und beim Militär sind.«
    »Tante Betty«, fragte Cate sanft, »darf ich dir dein Erfrischungswasser geben?«
    »Daran hättest du auch schon früher denken können!«
    Das junge Mädchen packte das Gewünschte ohne Widerrede aus. Die alte Dame kräuselte die schon etwas faltige Haut ihrer zierlichen Nase und zog den süßlichen Duft des Erfrischungswassers ein.
    Die Bremsen zogen an, die Räder unterbrachen ihren angenehm beruhigenden Rhythmus und kreischten. Der Zug stand mit einem Ruck.
    »Was denn nun schon wieder!« rief Henry nervös. »Immer auf dieser Strecke!«
    »Auf Ihrer selbstgebauten Strecke!« Der Leutnant lehnte sich zurück, und da Tante Betty aufgestört war und nicht auf Cate achtete, versuchte er einen Blick

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