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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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oder über alle beide lustig machte oder ob ihre Worte vielleicht doch ernst gemeint waren. Schon auf der bisherigen Fahrt hatten sie bemerken müssen, daß die blasse Siebzehnjährige kein destilliertes Wasser, sondern in ihrem Wesen mit nicht leicht definierbaren Mineralien durchsetzt war. Sie wirkte hilflos und unerfahren wie eine behütete Vierzehnjährige, dann plötzlich wieder älter, als sie war, und erfahren in der Beurteilung aller Schliche egoistischen Gehabens. Kurz, sie hatte das uneinheitliche Wesen eines jungen, unterdrückten, aber immer noch denkenden Menschen an sich.
    Die beiden jungen Herren hatten sich erst im Zuge kennengelernt. Die Übereinstimmung in ihren gedanklichen und gefühlsmäßigen Reaktionen wies sie trotz verschiedenen Alters und verschiedener Erlebnisse als energische und zielstrebige Typen aus, die, ohne genial zu sein, doch schnell vorwärtszukommen trachteten. Eine Antwort auf die Bemerkung des Mädchens konnten beide nicht rasch genug formulieren. Die alte Dame blickte vom Buche auf. Sie setzte die Brille ab, nahm das Lorgnon zur Hand und musterte das junge Mädchen strafend.
    »Cate, was du manchmal für sinnlose Bemerkungen machst! Von Naturschönheit wirst du nie leben können. Aber du gleichst deinem Vater, der auch nicht mit Geld umzugehen versteht.«
    Die jungen Herren senkten dezent die Augenlider, um anzudeuten, daß sie den Tadel, der das junge Mädchen beschämen konnte, nicht gehört hatten. Cate war rot geworden, nicht für sich, aber für ihren Vater, den sie liebte und bewunderte.
    Die beiden Herren wurden sich nach dem überraschenden Eingreifen der Dame klar, daß sie ihr Ziel nicht auf geradem Wege, sondern nur auf dem Umweg über diese erreichen konnten, und sie beschriften den Umweg sogleich, denn sie wollten auch in Privatangelegenheiten keine Zeit verlieren.
    »Wie ungemein recht Sie haben«, schmeichelte der Dreißigjährige mit dem schütteren Haar. »Das Land hier rentiert sich überhaupt nicht. Es ist weiter nichts als die notwendige, aber unschöne Unterlage für die Eisenbahngleise.«
    »Als solche aber von Bedeutung«, fügte der jüngere und elegante hinzu.
    »Das kann man wohl sagen«, bestätigte der erste nochmals seine eigene Ansicht.
    »Cate«, befahl die alte Dame, »packe das Buch wieder ein.«
    Das junge Mädchen gehorchte.
    »Gib mir bitte noch einmal die Zeitung heraus. Daran hättest du auch gleich denken können!«
    Das junge Mädchen gehorchte, ohne sich zu rechtfertigen.
    »Die Zeitung ist leider reichlich alt«, sagte die gepuderte Dame, studierte dann aber doch die Aktienkurse und die Tendenzberichte. Davon schien sie befriedigt, und nachdem sie sich von dem jungen Mädchen noch einen Keks hatte reichen lassen, begann sie die Berichte über Morde und Raubüberfälle zu studieren.
    »Die Zahl der Verbrechen ist unerhört!«
    »Unerhört!« wiederholten die beiden Herren wie aus einem Munde.
    »Sie finden das auch, nicht? Es ist unglaublich, was die Banditen sich leisten dürfen. Hier zum Beispiel! In den Black Hills ist ein Untier unterwegs oder ein Mörder ­ oder ein tierischer Mörder oder ein mörderisches Tier! Niemand bekommt dieses Gespenst zu Gesicht außer denen, die es tötet und die dann nicht mehr sprechen können. Jedenfalls ist es entsetzlich, und an den Goldsuchern geschieht ein Mord nach dem andern! Schon das zweite Jahr! Auf einen Zug ist auch wieder ein Überfall verübt worden. Erst das Gleis gelockert …« Die alte Dame stockte, setzte die Brille zurecht und las noch einmal. Auch das schien ihr nicht genug Sicherheit zu bieten. »Cate! Lies mal vor! Es ist doch unmöglich …«
    Das junge Mädchen nahm die Zeitung in die Hand. Der Dreißigjährige, der neben ihr saß, bemühte sich, den Bericht mitzulesen. »Tatsächlich!« rief er dann. »Auf unserer Strecke hier ist das schon wieder passiert!«
    »Aber Allmächtiger! Warum sagen Sie schon wieder, mein Herr?«
    »Vielleicht, weil das hier so zum Handelsüblichen gehört«, bemerkte der elegante Zwanzigjährige brutal. Offenbar wollte er einmal auf diese. Weise zu wirken versuchen. »Oder steckt hinter Ihrem schon wieder ein eigenes Erlebnis?« fragte er den anderen Herrn.
    »Tut es.« Der Dreißigjährige war von der Wendung, die das Gespräch nahm, sehr befriedigt. »Hier, in dieser gottverdammten Gegend, hat mich ein nicht ganz unbekannter Indianer beinahe vergiftet.«
    »Aah!« Die alte Dame wurde unwillig. »Meine Herren, ich bitte Sie, keinen Zynismus! Das

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