Heimkehr zu den Dakota
mit dem Mädchen zu wechseln. Die immer Getadelte empfand diese Aufmerksamkeit, die ihr gewidmet wurde, als menschlich und erleichternd, und so hatte Roach Glück. Er erntete eine Anerkennung der blauen Augen für seine spöttische Bemerkung gegen Henry.
»So wie Joe Brown und ich diese Strecke gebaut haben, brauchte der Zug jedenfalls nicht zu halten. Moment!« Henry gab sich nicht damit zufrieden, aus dem Fenster zu schauen. Da der Leutnant den Waffenstillstand im Konkurrenzkampf um das Wohlwollen der Erbnichte gebrochen hatte, gedachte er seine eigene Bedeutung eindrucksvoller hervorzuheben. Er lief zur Tür und sprang auf offener Strecke aus dem Zug. Als das Zugpersonal ihm dies verbieten wollte, schnauzte er zurück und rannte am Kohlentender vorbei zur Lokomotive. Dort erkannte er sofort das Hindernis.
Vor der Lokomotive lag ein toter Büffel. Das Zugpersonal war eben damit beschäftigt, den Kadaver zu entfernen.
»Überfahren?« fragte der Ingenieur.
»Nein«, gab der Zugführer Auskunft, nachdem sich Henry als ein leitender Ingenieur der Eisenbahngesellschaft ausgewiesen hatte. »Lag tot über dem Gleis.«
Henry betrachtete sich den Büffelstier genauer. Das Tier war erschossen worden, aber der Jäger hatte sich nicht einmal die Zunge geholt.
»Sonderbar. Wollen Sie weiterfahren?«
»Ja. Langsam. Man weiß nicht, was sonst noch alles auf dem Gleis liegt.«
Henry ging zu dem ersten Waggon zurück, in dem er seinen Platz hatte. »Nichts als ein Büffelstier, der immer noch nicht wußte, was ein Gleis ist«, berichtete er.
Der Zug fuhr weiter.
»Warum fahren wir denn so langsam?« wollte Leutnant Roach wissen.
»Wo ein Büffel ist, können auch mehrere sein. Haben Sie in Ihrem Leben schon mal eine Herde gesehen?«
»Ist mir noch nicht gelungen. Aber ich denke, die Strecke wird kontrolliert.«
»Habe Leute gekannt, die die besten Wachposten überrumpelten, gar nicht zu reden von Bahnwärtern!«
Henry war es damit gelungen, Gates Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
»Ihren Worten vorhin entnahm ich, daß Sie Joe Brown kannten?« fragte das Mädchen schüchtern. »Den berühmten Pionieringenieur?«
»Mein bester Freund.« Henry sonnte sich in seinem Erfolg.
»Oh! Man sagt, er vertritt jetzt das große Projekt der Northern Pacific, die wieder mitten durch eine furchtbare Wildnis gehen soll?«
»Cate!« rief Tante Betty, »Was du immer neugierig bist. Laß doch den Herrn in Ruhe! Siehst du nicht, wie müde er ist? Aber wirklich«, wandte sie sich selbst an Henry, »Joe Brown ist Ihr Freund? Sind Sie noch immer mit ihm zusammen?«
»Jetzt weniger. Ihre Nichte ist gut unterrichtet, wie ich bemerke. Brown arbeitet an dem Riesenprojekt der Northern Pacific. Mich interessiert das weniger. Vor allem habe ich die Wildnis vollständig und gründlich satt. Leben kann man nur in unseren Großstädten.«
Die Bremsen zogen an, die Räder kreischten wieder, und der Zug hielt von neuem. Henry schaute aus dem Fenster, und der Zugführer kam diesmal zu ihm her. »Gleis beschädigt!«
»Verdammt! Schwer beschädigt?«
»Nein, das nicht.«
»Spuren?«
Der Zugführer zuckte die Achseln und ging wieder nach vorn. Leutnant Roach, in Zivil, und Henry Henry machten auf alle Fälle die Revolver schußfertig. Das junge Mädchen zitterte. Tante Betty liefen die Schweißtropfen vom Haaransatz über Stirn und Schläfe und gruben kleine Bachbetten in die Puderschicht.
*
Während der Zug auf der Strecke hielt, die Reparatur begonnen wurde und einige Fahrgäste aufgeregt diskutierten, hielt ein paar Meilen weiter östlich ein einzelner Reiter an einer Gleisstelle, die ebenfalls aufgerissen war. Noch war es dunkel; die Winternacht währte lang.
Der Reiter war groß, breitschultrig, ganz in Leder gekleidet, trug den üblichen Schlapphut und an den hohen Stiefeln Sporen. Sein Pferd war jung und kräftig. Er hielt schon einige Zeit am selben Platz und musterte im Mondschein ringsum das Gelände.
Die Fährte zeigte jedem, der Spuren lesen konnte, daß der Reiter von Nordosten gekommen und bei dem Gleis noch nicht abgestiegen war.
Er war es nicht, der die Schienen gelockert hatte. In diesem Falle war er es wirklich nicht gewesen. Aber wenn man ihn faßte und seinen Lebenslauf nachprüfte, würde jeder Sheriff sagen: »Aha! Da haben wir ihn!« Holzfäller, Räuber, Mörder, Dieb, Goldsucher, ein Spekulant und Betrüger, Kundschafter im Bürgerkrieg, Kundschafter der Eisenbahnbaugesellschaft, ja, das war Red Jim, auch genannt
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