Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
ihn geurteilt habt. Ich bin nicht der Sohn eines Verräters. Ich habe gesprochen. So, nun reitet heim!«
    Stein mit Hörnern löste den Gefangenen die Fesseln und fing ihnen ihre Tiere wieder ein. Im Schritt begannen die Dakota zu den Black Hills zurückzureiten.
    Stein mit Hörnern folgte ihnen nicht gleich. Er hielt sich mit seinen Tieren den Rest der Nacht, den folgenden Tag und noch eine Nacht in der winterlichen Prärie auf. Erst am zweiten Tage ritt er, ohne Vorsichtsmaßnahmen, den bewaldeten Bergen zu. Er durchquerte die ersten Waldstreifen und kam zu dem Fluß, der sich mit seinem Lauf um das Bergmassiv herum wand.
    Er ließ seine beiden Mustangs den Waldhang hinaufklettern, ohne daß er es zunächst nötig hatte abzusteigen. Erst die steilsten und schwierigsten Strecken ging er zu Fuß und führte den Falben. Eine Felswand, in deren Mitte ein dunkles Loch gähnte, umging er und gewann die Höhe darüber. Hier ließ er die Tiere warten und suchte ringsumher nach Spuren. Aber er fand keine frischen Fährten, und die alten stammten von Indianern. So setzte er seinen Weg fort. Er stieg lange weiter und gelangte endlich auf eine rauhe, windige Höhe, auf der verkrüppelte Bäume und Krummholz zähe gegen Sturm und Schnee kämpften. Hier machte er halt und ließ die Pferde frei.
    Es war Nacht.
    Die Mustangs waren hungrig und fraßen Moos. Der Hund streifte sogar umher und schien im Gesträuch Aas aufzustöbern. Er fraß auch schon. Stein mit Hörnern nahm etwas Pemmikan zu sich.
    Als er damit fürs erste genug gestärkt war, untersuchte er einen großen bemoosten Stein. Der Stein war festgefroren. Es kostete einige Mühe, ihn zu lockern und hochzustemmen. Als die Öffnung, die darunter erschien, groß genug war, so daß sich ein schlanker Mensch hindurchzwängen konnte, stieg Stein mit Hörnern ein und brachte seine Habseligkeiten in den unterirdischen Gang. Hier war künftig sein Notunterschlupf. Er selbst kletterte wieder heraus und verschloß den versteckten Höhleneingang, den der Vater ihm einst gezeigt hatte, wie zuvor mit dem Felsen. Sehr bedacht sorgte er dafür, daß keine Spuren zurückblieben und niemand auf den Gedanken kommen konnte, der Steinblock verberge ein Geheimnis. Er löschte alle Fährten aus, und er nahm sich Zeit dazu. Als er zur eigenen Zufriedenheit gearbeitet hatte und selbst keine Spur mehr entdecken konnte, zog er seinen Fellrock über und lehnte sich an einen Baum. Der Wind rauschte durch die Wipfel, die Eulen gingen auf Jagd. Er war sich selbst überlassen und begann nachzudenken.
    Er hatte sehr viel Zeit verloren. (Er hatte sehr viel Zeit vor sich. Auflage von 1965) Der Winter, der unwirtlich genug war, um die meisten der weißen Jäger und Goldsucher abzuschrecken, begann eben erst, und der Indianer konnte nicht damit rechnen, in den nächsten Monaten schon viele Gegner zu finden. Freunde, denen er seine Zeit widmen konnte, gab es nicht. In den Zelten der Dakota, in denen Stein mit Hörnern als der Sohn eines Verräters galt, wollte er sich nicht sehen lassen, wenn es auch offenbar war, daß die von Tashunka-witko, Tatanka- yotanka und Machpiyaluta geführten Stammesgruppen in den Black Hills ihn nicht als Feind behandeln, nicht abfangen oder töten wollten. Sie hatten ihn ungehindert in die Bergwälder eindringen lassen. Stein mit Hörnern konnte und mußte auf die Jagd gehen, um sich zu ernähren und seine beiden Mustangs vor Raubtieren zu schützen. Er konnte und wollte umherschweifen, um jedem weißen Eindringling, dem er etwa begegnete, das Leben zu nehmen. Das war seine Aufgabe, die er sich stellte. Es war die einzige, die ihm geblieben war. Er war nur noch ein Krieger, nur noch ein harter Wille und ein scharfer Verstand, nur noch ein System sehr gut ausgebildeter Muskeln und Sehnen, ein System schnell reagierender Sinne und Nerven, die Waffen regierten, um zu töten. Sonst war er nichts mehr. Er war in Wahrheit kein Sohn mehr, wenn er dem Vater auch jedes Jahr einmal begegnen wollte. Er war kein Bruder mehr. Er würde kein Zelt haben und um keine Frau werben. Was verschlug es im Grunde, ob er nun lebte oder starb? Der Haß war eine unfruchtbare Leidenschaft, und Stein mit Hörnern wußte zuviel. Er wußte, daß er weiße Männer töten konnte, aber wußte auch, daß immer noch mehr weiße Männer kommen würden. Was er aus Haß tat, war letzten Endes vergeblich. Freundschaft und Liebe aber waren aus seinem Leben gestrichen, denn er war aus jeglicher Gemeinschaft

Weitere Kostenlose Bücher