Heimkehr zu den Dakota
Wasserfässern an einem schnell zusammengenagelten Brettertisch. Daisy half dem Wirt als erste. Allmählich fanden sich noch zwei weitere Hilfskräfte ein. Das Geschäft ging sehr gut. Hahnenkampf-Bill ersäufte seinen Kummer, sobald die einfache Bestattung der Toten beendet war, und der lockenhaarige Stationsleiter ließ sich eine abgefüllte Flasche bringen.
»Heute kann ich nicht trinken«, wehrte der Maler ab, als Langspeer ihn fragte.
Als es Abend geworden war, klopfte es schüchtern an die Tür des Zimmers, das der Maler bewohnte. Morris bat zunächst nur leise herein, und das Klopfen wiederholte sich.
»Bitte!« rief Langspeer jetzt laut und deutlich.
Die Tür wurde behutsam geöffnet. Morris fuhr zusammen. Was er sah, war schwarz, darüber ein Gesicht ohne Nase, ein Kopf ohne Ohren. Morris dachte an die Erscheinung, die er des Nachts bei den verwundeten und toten Dakota erblickt hatte. Er nahm sich zusammen. »Komm nur herein.«
Eine Frauengestalt schob sich durch die Tür, die fremden Augen sahen sich um, wer alles im Zimmer sei. Dann blieb die Frau mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt stehen. Über dem Arm hatte sie eine Lederdecke, in der Hand ein Bündel mit Sachen. Sie selbst war in Leder gekleidet wie eine freie Prärieindianerin, aber das Leder war schwarz gefärbt. Schwarz war bei den Indianern die Farbe der Trauer, der Buße, des Opfers. Aber Leder im ganzen schwarz zu färben, pflegten sie nicht; hierin hatte die merkwürdige Frau die Sitten der Weißen nachgeahmt. Das Schwarz war stumpf, und auf den Maler wirkte es wie der Anblick des Todes, und doch war dieses Lederkleid das einzige, was die Verstümmelte zur Person machte, denn sie hatte es selbst gewählt.
»Was ist?« fragte Morris von seinem Lager her benommen. Er hatte die Hände unter dem Genick gekreuzt und den Kopf etwas vorgebeugt. Seine Augen waren aufgerissen.
»Wissen, was lynchen ist?«
Morris erschrak noch tiefer. »Bedroht dich jemand?«
»Das ist nicht wichtig. Aber sie wollen den Sioux lynchen.« Die Indianerin flüsterte.
»Welchen Sioux?« Auch Morris sprach leise. »Doch nicht etwa meinen roten Bruder Langspeer hier?«
Die Indianerin schüttelte mit dem Kopf. »Nicht Langspeer.«
»Wen denn?«
»Harka.«
»Harry?« Der Maler erinnerte sich mit neuem Erschrecken seines Gesprächs mit Hahnenkampf-Bill. »Wo ist Joe Brown?«
»Zum Zug geritten. Er ist noch nicht zurück.«
»Das ist übel. Wer hat denn diese Lynchparole ausgegeben?«
»Bloody Bill. Aber schon denken alle so. Massa Taylor II sagt, lynchen richtig, und Vicky sagt, lynchen gut. Alle trinken und sagen, Harry lynchen! Sie kochen eine Tonne Teer, wollen ihn mit heißem Teer beschmieren, daß ihm Haut und Fleisch verbrennen, und ihn mit Federn bekleben und jagen, bis er zusammenbricht und stirbt.«
»Was für ein grauenhafter Wahnsinn. Man muß Harka warnen! Bis jetzt hat ihn noch niemand wieder gesehen?«
»Nein. Aber Pferd ist da. Dakota kommt immer zu seinem Pferd.«
»Falls er noch am Leben ist. Langspeer, was machen wir? Du weißt, was Tashunka-witko gerufen hat! Das allein genügt, um zu beweisen, daß Harka uns nicht verraten hat!«
Die Seminolin schüttelte den Kopf. »Das wird kein Gericht sein, weißer Mann. Das ist Lynchen! Niemand fragt, niemand antwortet. Alle schreien, alle wollen morden. Kein gutes Wort wird angehört.«
»Langspeer, was machen wir?! Wir müssen Harry warnen, wenn er noch am Leben und wenn er nicht der Gefangene der Dakota ist. Wo ist Mattotaupa?«
»Vom Zug noch nicht zurückgekehrt.«
»Können wir nicht die Männer mobilisieren, die Harry sich zum Kampf zusammengeholt hatte? Sie kennen doch die Zusammenhänge und müssen mit Harry freund sein.«
»Sie sind beim Zug.«
»Alle brauchbaren Menschen sind beim Zug! Wir müssen handeln, ehe Harry den Mördern in die Hände gerät. Was können wir tun?«
Der Cheyenne starrte vor sich hin. Schließlich meinte er: »Ich schreibe einen Brief auf Leder, und mit diesem jage ich den Grauschimmel in die Prärie. Wenn Harka überhaupt zurückkommt, findet er das Pferd und den Brief.«
»Das wäre ein Weg.«
»Bill paßt aber auf den Mustang auf«, sagte die Seminolin, »und der Mustang lahmt stark. Harka hat ihn zu scharf geritten, um die weißen Männer auf der Station noch zur rechten Zeit zu warnen.« Morris spürte die Erbitterung und den Haß der Indianerin. »Nun, ihr wißt alles«, sagte sie rauh. »Ich lasse euch diese büffellederne Decke hier; es ist Harkas
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