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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Decke. Ich lasse euch diesen Bogen. Es ist Harkas Bogen. Ich lasse euch diese Adlerfedern. Es sind Harkas Adlerfedern. Ich lasse euch diesen Wampumgürtel für Harka; es ist ein Gürtel aus der Hütte des Häuptlings Osceola, den die weißen Männer verraten haben und sterben ließen. Harka kann die Botschaft verstehen. Ich lasse euch das alles hier.«
    Die Frau bückte sich und schob die Sachen unter Henrys Bett. Als sie das geordnet hatte, richtete sie sich auf und stand den beiden Männern frei gegenüber. Morris vermied den Blick, der ihn aus dem entstellten Gesicht traf. Er sah die Hände der Seminolin, einfache, edle Hände.
    Die Indianerin ging zur Tür, und schon hatte sie den Raum auch so leise wieder verlassen, wie sie gekommen war.
    Langspeer erhob sich wenig später. »Ich sehe mich draußen um.« In der Stunde, die er fortblieb, hörte der Maler draußen wüsten Lärm aufwallen und wieder abebben. Als der Cheyenne zurückkam, setzte er sich an den Rand von Henrys Lager, legte die Hände auf die Knie und hielt den Kopf gesenkt.
    »Was ist, Langspeer?«
    »Es steht schlecht, mein weißer Bruder Weitfliegender Vogel Geschickte Hand Geheimnisstab! Harkas Pferd lahmt und ist auch so umstellt, daß niemand es wegtreiben kann, ohne daß geschossen wird. Alle laufen mit Waffen umher und wollen Harry lynchen. Im Lager hier wäre er verloren. Sein Zelt ist zerstört. Sie wollten die Seminolin lynchen, aber sie hatte Gift genommen. Einer der Männer goß den heißen Teer über die Tote. Ich gehe jetzt hinaus vor die Station, als ob ich Wache halten wollte. Vielleicht findet mich Harry, oder ich sehe ihn, falls er zurückkehrt, und kann ihn noch warnen.«
    »Versuche das und überlege, wie wir Joe, Mattotaupa und den anderen Männern beim Zug Nachricht zukommen lassen können. Sie allein vermögen noch ein weiteres Unglück zu verhüten und diese betrunkenen Bestien hier umzustimmen oder wenigstens im Zaum zu halten.«
    Langspeer nickte und ging, nicht leichten Herzens. Morris hörte draußen das Grölen und die Rufe der Männer, die die Fortsetzung einer grausamen Lynchjustiz verlangten.
    Es war Nacht.
    Der Wirt erschien noch einmal und schloß eine größere Summe Geldes in die Kasse unter dem Bett ein. Er schwitzte nicht mehr vor Angst, sondern vor Geschäftseifer.
    Daisy sah hin und wieder nach Morris und brachte ihm alles, was dieser für sich und Henry wünschen konnte. Sie hing ein Tuch vor das Fenster, so daß niemand hereinschauen könnte, und brachte eine kleine Öllampe zum Brennen. Das Licht war mild und wirkte als Gegensatz zu dem lauten und rüden Treiben draußen um den Schanktisch. Morris fühlte alle seine Nerven zittern, wenn er die viehischen Drohungen hörte, die die Männer gegen den jungen Indianer ausstießen, und wenn er an den Tod der verstümmelten Frau dachte.
    Etwa um die elfte Stunde verabschiedete sich Daisy, und Morris dankte ihr und versicherte, daß er keinerlei Wünsche mehr habe. Henry war einmal zu Bewußtsein gekommen, hatte sich erstaunt umgesehen und war dann eingeschlafen.
    Morris brütete vor sich hin und nahm hin und wieder einen Schluck Wasser.
    Um Mitternacht klopfte es wieder an die Tür, und der Maler rief leise: »Bitte!«
    Ein Türspalt tat sich auf. Ein Schlapphut, der Haar und Gesicht verdeckte, schob sich herein, dann die ganze Gestalt eines Cowboys im Lederanzug. Der Mann hatte eine Büchse bei sich.
    Der Eintretende zog die Tür lautlos hinter sich zu und setzte sich wie selbstverständlich an den Rand des Lagers, auf das Henry gebettet war, genau wie vorher Langspeer. Die Büchse stellte er zu Boden. Er hielt den Kopf gesenkt. Aber nun hob er ihn rasch und sah Morris im Schein der Öllampe an.
    »Ha …« Morris sprach den Namen nicht ganz aus. »Du!«
    »Ja. Wo ist mein Vater?«
    »Noch beim Gleis draußen.«
    »Joe?«
    »Noch beim Gleis draußen, mit den zwanzig zusammen, die im Kampf dein Spezialtrupp gewesen sind.«
    »Die weißen Männer hier haben die Leiche einer Frau geschändet und wollen mich lynchen.«
    »Kannst du dich verbergen, bis dein Vater, Joe und die anderen zurückkehren?«
    »Das könnte ich, aber ich will es nicht. Ich gehe. Hast du verstanden? Wenn du meinem Vater irgendwo und irgendwann etwas mitteilen kannst, so sage ihm, daß ich fortgegangen bin, um die Proben zu bestehen, die mich zum Krieger machen. Ich werde nicht zu den Dakota gehen, sondern zu ihren Feinden, den Siksikau, in deren Zelten mein Vater und ich schon zu Gast gewesen

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