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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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und Empfindungen nicht. Er wollte aufbrechen, um hoch hinauf in den Norden, in die rauhen Prärien zu wandern, wo er seinen Freund Stark wie ein Hirsch, mit dem er sich nach indianischer Sitte als »Blutsbruder« verbunden hatte, wiedersehen konnte. Mit ihm zusammen wollte er die Kriegerprobe bestehen. Dieses Ziel allein vermochte seine Vorstellungskraft noch auf sich zu ziehen.
    Drei Tage nach der Heimkehr von der Adlerjagd verabschiedete sich der junge Dakota von den gastlichen Zelten. Die Schwanzfedern des Adlers nahm er wohlverwahrt mit, denn der junge Schütze, der das Tier vorzeitig erlegt hatte, übergab sie ihm als Geschenk, das er nicht zurückweisen durfte. Harka verglich die Federn mit den beiden, die er stets mit sich führte. Sie paßten zusammen, obgleich sie aus dem Gefieder ganz verschiedener Jahre stammten. Er hatte sich nicht getäuscht. Die alten Federn hatte der Grauschimmel dem Adler ausgerissen, als der Raubvogel Harka als Knaben angriff. Das Fell des Grizzlys blieb im Zeltdorf; Harka trug die Kette aus Krallen und Zähnen. Das genügte ihm als Wahrzeichen und war ihm auf dem Ritt nicht zur Last.
    Ehrenvoll verabschiedet von den Ältesten, ein Stück begleitet von Burschen und Knaben, verließ Harka die Zelte, um seine Wanderung zu den Siksikau fortzusetzen. Er war mit Proviant reichlich versehen, sein Schecke war ausgeruht und wahrhaft mutwillig. Der warme Sommer stand erst bevor. Harka eilte, um verlorene Zeit aufzuholen, aber er hastete nicht. Die Tage bei den Absaroka hatten die dunklen Eindrücke, unter denen er das Stationslager bei der Überlandbahn verlassen hatte, nicht verwischen können, aber doch in die Ferne gerückt. Sein Selbstbewußtsein war gesundet; er war wieder zu einem freien Indianer geworden.
    Während er am Fuße der Berge, am Rande der Wälder nordwärts ritt, spähte er oft nach dem seltsamen Falbenhengst aus, aber er konnte ihn nirgends mehr entdecken.
     
     

 
Die Probe
     
    Nordwestlich des oberen Missouris bewegte sich ein Wanderzug der Siksikau durch die Prärien, die sich zu den Bergwäldern hinzogen. Die Gruppe war nicht zahlreich. Die Männer und Frauen, die ihr angehörten, hatten alle einen abgehärteten Körper und einen ruhigen, überlegten und schwer zugänglichen Gesichtsausdruck. Jeder von ihnen schien dem anderen dadurch ähnlich, und dennoch verriet sich bei jedem im Blick, im Spiel der Mundwinkel, in der Haltung von Kopf und Schultern selbständige Entschluß- und Urteilskraft. Jeder von ihnen erschien fähig und würdig, sich selbst, in einem gegebenen Augenblick aber auch alle anderen zu vertreten. Was sich hinter diesem allgemeinen Schild von Zähigkeit, Überlegung und Selbstbeherrschung abspielen mochte, blieb dem Außenstehenden verborgen.
    Als elfte in der Reihe des Wanderzuges ritt Sitopanaki. Sie wurde bald vierzehn Jahre alt und war ein erwachsenes Mädchen. Das Pferd vor ihr lenkte Spottdrossel, und Sitopanaki sah den ganzen Tag über die schwarzen Haare der Gefährtin, die bestickten Schulterteile der Kleidung und die Kindertrage mit dem Säugling darin, der schon begriffen hatte, daß Schreien nicht das geringste nützte, und der sich darein ergab, in die moosgepolsterte Trage eingebunden zu sein und nur Kopf und Ärmchen recht rühren zu können. Während der Wanderung wurde nicht gesprochen. Sitopanaki hatte mit ihrem Pferd nicht viel zu tun, denn es lief ganz von selbst in der Reihe. Sie schaute auf das Kind in der Trage, auf Spottdrossels sauber gescheiteltes Haar, auf die Spitzen der Speere, die die Männer mit sich führten. Sie schaute über die endlose Prärie und nach dem Himmel.
    Gegen Abend wurde das Ziel der Wanderung erreicht. Es war der Platz, der für die nächsten Wochen der Standplatz der Zelte werden sollte. Er lag einen guten Tagesritt weiter westlich als die Landstriche, in denen die Gruppe noch vor einigen Jahren die Sommer zu verleben pflegte.
    Sitopanaki, ihre Mutter und ihre Großmutter begannen, wie sämtliche Frauen und Mädchen, sogleich den Zeltbau. Der gewählte Platz für das Zeltlager erschien gut. Es war ein Wald vorhanden, in dem eine frische wasserreiche Quelle entsprang, die in einem kleinen Bach abfloß. An Holz und gutem Wasser, an Beeren und Wurzeln, an heilenden Krautern fehlte es hier nicht. Das Grasland verlief gegen Osten in langen Wellen, nach Westen hin stieg es zu den großen Wäldern und dem höhen Felsengebirge auf. Von dem gewählten Lagerplatz aus konnten die Krieger zur Büffeljagd in

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