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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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zu Sitopanaki. Das Mädchen hatte der Mutter das Wasser gebracht und ordnete nun die Decken im Zelt, mit eckigen steifen Bewegungen, wie man sie noch nie an Sitopanaki gesehen hatte. Es war, als ob eine vor Schreck oder Freude Gelähmte sich bewegen wollte.
    Spottdrossel nahm ihren Säugling aus der Trage, um ihn trinken zu lassen, und kochte Fleisch für ihren Mann, das er sich gut schmecken ließ. Für sich selbst machte sie ein Präriehuhn zurecht und aß mit ebensoviel Appetit. Dabei arbeiteten ihre Gedanken.
    Im Zelte des Häuptlings aber strahlte die Freude des Sohnes Stark wie ein Hirsch über die Rückkehr des Blutsbruders nicht weniger hell und nicht weniger wärmend als die Morgensonne. Sie schien alles zu beleben und das Starre zu lösen. Häuptling Brennendes Wasser lächelte. Seine Frau holte das zarteste Rückenstück einer Büffelkuh aus ihrem Fleischvorrat, um es als Frühstück für den Gast an den Spieß zu stecken. Als Sitopanaki die Schüsseln zurechtstellte, waren ihre Bewegungen wieder weich und leicht.
    Dem Zurückgekehrten selbst schmeckte es.
    Als die Mahlzeit beendet war, der Gast sich gesättigt hatte und damit dem ersten Erfordernis der Gastfreundschaft Genüge getan war, kam es dem Häuptling und Herrn des Zeltes, Brennendes Wasser, als erstem zu, das Wort zu ergreifen: Er sprach: »Harka Steinhart Wolfstöter Büffeljäger, Sohn Mattotaupas! Du bist in unsere Zelte zurückgekommen. In den Sommern und Wintern, in denen du fern warst, hast du viele Feinde besiegt und den großen Grauen Bären getötet. Die Siegeszeichen, die du trägst, berichten uns das. Du hast gekämpft wie ein Krieger. Bist.du schon ein Krieger geworden?«
    Der Gast antwortete ebenso langsam und ernst, wie der Häuptling gesprochen hatte: »Noch bin ich kein Krieger geworden. Mein Messer, meine Pfeile, meine Kugeln haben viele Feinde besiegt, und ihre Skalpe gehören mir. Der große Graue ist meiner Kugel und meinem Messer erlegen. Aber um ein Krieger zu werden, bedarf es nicht nur des Sieges im Kampf und auf der Jagd, sondern der Mann, der diese Würde erlangen will, hat sich nach den Sitten, in denen ich erzogen bin, erst in der Einsamkeit auf sich selbst zu besinnen. Die Geister müssen im Traum zu ihm sprechen und ihm seinen Namen und seinen Schutzgeist nennen. Ein künftiger Krieger hat zu beweisen, daß er Hunger und Durst ertragen kann und sich zu beherrschen vermag. Es kann sein, daß das Große Geheimnis oder die Große Sonne noch ein besonderes Opfer von ihm annimmt.«
    »Harka Steinhart Wolfstöter, bist du bereit, in die Einsamkeit zu gehen, deinen Namen zu erfahren und, wenn das Große Geheimnis dies annehmen will, noch ein besonderes Opfer zu bringen?«
    »Ja, ich bin es.«
    »So werde ich heute, wenn die Sonne sinkt, mit unserem Zaubermann sprechen und ihn fragen, ob er gewillt ist, dich, Harka Steinhart, mit meinem Sohne Stark wie ein Hirsch durch alle Proben gehen zu lassen, bis ihr Krieger seid. Lebt dein Vater noch?«
    »Er lebt.«
    »Würde er bereit sein, auch wieder zu uns zu kommen?« In Harkas Wangen stieg das Blut, von Erregung und einem schnelleren Herzschlag getrieben. »Brennendes Wasser«, sagte er, »der Krieger mit Namen Kluge Schlange und dein Sohn Stark wie ein Hirsch werden dir gesagt haben, warum Mattotaupa und ich als sein Sohn eure gastlichen Zelte verließen. Du fragst, ob mein Vater zu euch zurückkehren wolle. Haben die weißen Männer nicht von euch oder von den Oberhäuptlingen der Siksikau gefordert, uns auszuliefern, weil mein Vater in Minneapolis diesen bissigen Kojot mit Namen Ellis erschoß?«
    »Die weißen Männer haben niemals nach deinem Vater oder nach dir gefragt. Es sind sechs Winter und fünf Sommer vergangen, seitdem dein Vater fortritt. Wenn die weißen Männer eine so lange Zeit hindurch weder in Frost und Schnee noch in Hitze und Dürre noch in der Zeit des grünen Grases noch in der Zeit der welkenden Blätter nach deinem Vater oder nach dir gefragt haben, so werden sie auch ­ denke ich ­ künftig nicht nach euch suchen. Allein kann ich diese Frage nicht entscheiden. Aber sobald du die Proben als Krieger bestanden hast, will ich zu unseren Oberhäuptlingen reiten und sie befragen, ob auch sie denken wie ich und zustimmen, wenn unsere Ratsversammlung beschließen sollte, deinen Vater und dich in unseren Stamm aufzunehmen.«
    »Charlemagne?« fragte Harka Steinhart. Er brachte nur noch diesen einen Namen heraus, so sehr erschütterte ihn die Erregung über

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