Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
stieg der Mustang steil, schlug mit den Vorderhufen in die Luft. Der ganze Leib des Pferdes war eine Spannung. Die dunkle Mähne hing herab, der lange Schweif berührte die Erde. Das Tier hatte den Kopf hoch gehoben und zeigte wütend das Gebiß, als ob es in Luft und Himmel beißen wollte, als ob ein verzehrender Zorn es fräße. Dann ließ der Hengst sich herunter, schlug noch einmal hoch aus und nahm in einem Galopp ohnegleichen die abwärts führende Strecke des Tales. Er sprengte in das weite dämmernde Grasland hinaus, und es war, als ob er jetzt vor dem Unsichtbaren fliehe. Er jagte umher, er gewann einen Höhenrücken und zeigte seinen Schattenriß gegen den dunkelnden Himmel.
    Endlich verschwand er in der Ferne, in der Finsternis der Nacht, zwischen den Wellen der endlosen Prärie.
    Was für ein Pferd! Harka fand lange kein Wort. Er schaute noch immer nach dem Grasland mit der Frage, ob er diesen Hengst noch einmal sehen würde. Aber der Mustang tauchte nicht mehr auf.
    Schweigend machten sich die drei Jagdgefährten weiter auf den Heimweg. Die Luft war kühl, sie liefen schnell, und noch war die Mitte der Nacht nicht überschritten, als sie mit ihrer Beute die Zelte erreichten. Sie hatten sich dem Zeltdorf still genähert und die Pferdewachen ohne Aufsehen von ihrem Kommen verständigt. Die Lederzelte lagen im Dunkeln, die Feuer waren schon gedeckt, aber die Hunde wurden unruhig, und der alte Friedenshäuptling hatte einen leisen Schlaf.
    Als die beiden jungen Absaroka Harka bis zu dem Häuptlingszelt begleitet hatten, kam der Alte auch schon angekleidet heraus. Beim Anblick des prächtigen Adlers, der erlegt war, stieß er einen hellen Bewunderungsruf aus. Nun wurden auch die Frauen im Zelte wach, und als der Häuptling die Jagdgefährten hereinbat, begann das Feuer, behutsam geschürt, schon heller zu flackern. Die Heimkehrenden erhielten eine kräftige Mahlzeit und erzählten von der Adlerjagd. Aber ihre Stimmen waren seltsam belegt, und der Häuptling, der aufmerksam zugehört hatte, schaute schließlich einen nach dem anderen fragend an.
    Die beiden jungen Absaroka hielten die Hand vor den Mund.
    Endlich berichtete aber doch der ältere der beiden: »Als wir heimkehrten, sahen wir das Geisterpferd, so nahe wie noch nie. Es hatte eine Herde Mustangs verscheucht und kam an einen Waldbach, um zu saufen. Dann tobte es und entschwand wieder.«
    Der Häuptling blickte auf Harka, als ob er dessen Ansicht hören wollte.
    »Ich habe noch niemals ein solches Pferd gesehen«, sagte der Dakota. »Es ist stärker und wilder als alle Mustangs, denen ich je begegnet bin, und es kämpft gegen irgendeinen unsichtbaren Feind. Wir können es nicht verstehen.«
    »Dieser Hengst kämpft gegen einen unsichtbaren Geist«, flüsterte der Häuptling, »aber er kämpft auch gegen lebende Mustangs. Die Herden fürchten ihn. Er hat schon Leithengste totgebissen. Wir haben sie gefunden. Es ist Zauber!«
    Nach dem merkwürdigen Erlebnis, das die gemeinsame Jagd abgeschlossen hatte, und bei der Müdigkeit, die alle spürten, hatte niemand Lust, das Gespräch in der Nacht fortzuführen. Die Jagdgefährten verabschiedeten sich und ließen den Adler bis zur Entscheidung am nächsten Tage in Zelte des alten Häuptlings liegen.
    Als die Zeltbewohner schlafen gingen, legte sich auch Harka auf seine Decke. Aber er träumte in dieser Nacht wieder. Er träumte von dem Pferd, für das er eine geheime und unüberwindliche Zuneigung zu empfinden begann wie zu einem großen Feinde, den man sich zum Freunde machen will. Das ausgestoßene, wilde, verhaßte und gefürchtete Dasein dieses Tieres erschien ihm wie ein Gleichnis des eigenen Lebens. Was wußten die Absaroka von ihm, Harka Steinhart Wolfstöter Bärenjäger, dem Sohn Mattotaupas, den die weißen Männer Harry nannten? Er hatte ihnen nicht einmal seinen wahren Namen gesagt. Als Büffelpfeilversender hatte er sich vorgestellt, und sie ahnten nicht, wer er in Wirklichkeit war. Harka hatte schon einen Namen bei den Bewohnern der Wildnis. Seine Taten waren nicht mehr unbekannt zwischen Prärie und Felsengebirge, und wenn er unbehelligt bleiben wollte, durfte er sich weder Harry noch Steinhart Wolfstöter nennen.
    Gern wären die Absaroka bereit gewesen, den tüchtigen jungen Jäger bei ihren Zelten zu halten, ihn zum Krieger zu machen und ihm ein Mädchen zur Frau zu geben. Der alte Häuptling machte Andeutungen in dieser Richtung. Aber die kleine Gruppe im Bergtal fesselte Harkas Gedanken

Weitere Kostenlose Bücher