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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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die Prärie aufbrechen, aber auch ebensogut zur Jagd auf Bären, Hirsche und Elche in den Wäldern. Das Gras war grüner als auf der kahlen Steppe, und die Mustangs fanden Nahrung genug.
    Die Stangen des Häuptlingszeltes waren aufgestellt und an den Spitzen verbunden. Die schweren Lederplanen wurden von den drei Frauen darumgelegt und mit Schnüren an den in die Erde getriebenen Pflöcken befestigt, so daß der Wind dem Zelte nichts anhaben konnte. Sitopanaki ging jetzt in den Wald, um Holz zu sammeln. Die Sonne war schon hinter den Wipfeln verschwunden. Es war kühl und schattig zwischen den Bäumen. Die junge Frau Spottdrossel begleitete das Mädchen. Auch sie mußte Holz für ihr Zelt herbeischaffen. Die beiden liefen bis zur Mitte des Wäldchens, zu der Quelle, und trafen dort Stark wie ein Hirsch, der seinen Fuchshengst zu den saftigsten und kräftigsten Krautern geführt hatte. Spottdrossel merkte, daß die Geschwister miteinander sprechen wollten, und sie zog sich ein wenig zurück; es gab rings Holz genug, das sie aufsammeln konnte.
    Zu der Quelle auf der Lichtung schaute noch der Abendhimmel herein, an dem die letzten sanftrötlichen Wolkenstreifen im dunklen Blau verblaßten. Das Quellwasser schillerte. Draußen auf der Prärie heulten zwei Kojoten. Stark wie ein Hirsch lauschte auf dieses Geheul, als ob es ihn an einen anderen Abend erinnerte, den er am Rande dieses Gehölzes, vor sieben Jahren, verbracht hatte.
    »Der Sommer ist da«, sagte Stark wie ein Hirsch leise zu seiner Schwester, während im Walde die Schritte der Holzsammlerinnen hin und wieder einen dürren Zweig knackend zertraten, »der Sommer ist da, die Tage sind länger als die Nächte, das Gras wird schon bald dörren, und die jungen Büffel wachsen heran. Ehe der Sommer sich wieder neigt, werde ich ein Krieger sein. Der Zaubermann will die Geister befragen, und er wird den Tag bestimmen. Und Sitopanaki, meine Schwester, folgt sie bald einem unserer jungen Krieger in sein Zelt?«
    »Wirst du, Bruder, eines unserer Mädchen zu dir ins Zelt holen, sobald du ein Krieger bist?«
    »Nicht so bald; ich denke nicht, ehe ich zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig Sommer gesehen habe.«
    »Bis dahin wird unsere Mutter mich noch zur Arbeit brauchen.«
    Stark wie ein Hirsch lächelte, ohne daß Sitopanaki das in der wachsenden Dämmerung noch wahrnahm, aber sie hörte das Lächeln aus seiner Stimme, als er antwortete: »Das wird sie. Sie braucht dich zur Arbeit. Du liebst keinen unserer Krieger? Auch nicht Nachtwandler, den Sohn von Kluge Schlange, der Tag und Nacht an dich denkt?«
    »Ich bin noch jung genug und kann warten, ob ich lieben werde.«
    Die Wipfel begannen sich in einem leisen Winde zu neigen. Die Kojoten verstummten, da sie sich vor den Hunden fürchteten. Auf der Lichtung bei der Quelle, im Schütze der Bäume, webte noch die warme Luft des Sommertages.
    »Vielleicht kehrt mein Blutsbruder Harka zu unseren Zelten zurück, ehe der Sommer endet«, sagte Stark wie ein Hirsch. »Er wollte wiederkommen, um bei uns die Proben eines Kriegers zu bestehen. Wenn er noch lebt, so wird er eines Tages bei uns sein.«
    »Eines Tages, ja. Ich schaue jeden Morgen über die Prärie und jeden Abend nach dem Walde, so wie auch du, mein Bruder Stark wie ein Hirsch! Aber noch ist Harka Steinhart Büffeljäger nicht gekommen.«
    »Warten wir weiter.«
    Der Fuchshengst hob den Kopf. Er wollte zur Nacht zur Pferdeherde. Stark wie ein Hirsch gab dem Drängen des Tieres nach und führte ihn weg.
    Spottdrossel kam zwischen den Bäumen hervor und gesellte sich wieder zu Sitopanaki. Sie gab dieser von ihrem Holz ab. Die beiden liefen schnell zu ihren Zelten, wo sie schon erwartet wurden.
    Die Zelte standen am Ostrand des Wäldchens. Sitopanaki und Spottdrossel trennten sich, jede schlüpfte in das eigene Zelt.
    Die Häuptlingstocher machte Feuer in der Vertiefung in der Zeltmitte, die die Mutter schon genau abgemessen fertiggestellt hatte. Das Holz war trocken; es flammte und prasselte sogleich; Sitopanaki steckte das Fleisch für den Vater an den Spieß. Mutter und Großmutter hatten sich schon in den Hintergrund zurückgezogen. Dort spielte auch der kleine Bruder, der vor drei Jahren zur Welt gekommen war.
    Als Häuptling Brennendes Wasser den Schlegel verzehrt hatte, aßen die Frauen mit dem Kind für sich, und schließlich kam Stark wie ein Hirsch in das Zelt und erhielt ebenfalls seine Abendmahlzeit. Er war kein Kind mehr, aber auch noch kein Krieger. Seine

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