Heimkehr zu den Dakota
zwischen Mitternacht und Morgen. Dann fügten sich die beiden Absaroka Harkas Wunsch, noch einmal einen Aussichtspunkt zu erklettern, von dem aus die Wälder der Vorberge und die angrenzende Prärielandschaft überblickt werden konnten. Er hatte die Absicht, sich über seinen Weg zu den Siksikau, den er bald fortsetzen wollte, so, gut wie möglich zu orientieren.
Der eine der beiden Absaroka, der das Gelände rings besonders gut zu kennen schien, führte wieder zu einem freiliegenden Gipfel. Dieser Gipfel war nicht so hoch wie jener, den die drei auf dem Herweg zuerst bestiegen hatten, lag jedoch besonders günstig für den Blick auf die Prärielandschaft. Die drei Jagdgefährten schleppten abwechselnd den großen erlegten Raubvogel. Sie liefen jetzt erneut sehr schnell.
Als sie den Aussichtspunkt erreichten, ging es schon wieder gegen Abend. Die Sonne strahlte noch von Westen her zwischen feuerumränderten Gipfeln hindurch. Die Abendschatten ließen Felsen und Bäume plastisch erscheinen. Die grünen Blätter leuchteten, so daß ihre Adern erkennbar wurden. Von dem Gipfel, der nur eben die höchsten Baumkronen kahl überragte, ging der Blick über die Wälder, auch durch ein Bachtal mit fruchtbar bewachsenen Ufern hinab zur weiten steppenartigen Prärie, auf der der Abendwind das Gras in langen Wellen trieb.
Die Indianer spähten. Sie sahen in der Ferne einen Büffelweg, den sie an den Tagen vorher nicht beachtet hatten; es war eine lange, kahl gefressene, zertrampelte Strecke, gleich einer Staubstraße durch die grasbewachsene Prärie. An einer Stelle war der Büffelweg durch Büffelbäder verbreitert. Lehmlachen, in denen sich die Tiere der Reihe nach, die stärksten voran, zu wälzen pflegten. Harka beobachtete die Prärie scharf, während seine Gefährten in ihrer Aufmerksamkeit nachließen.
»Horcht!« sagte er.
Sie vernahmen nicht gleich, was er meinte, aber bald wußten sie es. Es donnerte durch den Boden bis herauf zu der Höhe.
Büffel? fragten sich alle zunächst, aber bald berichtigte Harka seine Gedanken.
»Mustangs!«
Gleich darauf erschienen sie auf der Prärie, um einen Waldausläufer herumbiegend, eine mittlere Herde in vollem Galopp, mit wehenden langen Schweifen, flatternden Mähnen. Ihre Hufe wirbelten Staub auf. Harka spähte aus, was die Tiere in Furcht gesetzt haben könnte. Aber schon machten sie auch halt, bäumten sich hoch auf, wechselten die Richtung und stoben ostwärts davon, vom Walde weg. Die Indianer verfolgten sie mit den Augen, bis sie am Horizont verschwanden.
»Die Tiere verhalten sich sonderbar«, sagte Harka.
»Ssstt!« machte der eine seiner Gefährten. »Das ist der Zauber.«
Harka hätte gern weiter gefragt, schwieg aber, denn er vernahm ein Geräusch im Wald, unten, nicht weit von der Prärie, nahe bei dem Bachtal, in das er hinunterblicken konnte. Er lauschte. Auch diesmal schien er zunächst der einzige zu sein, der aufmerksam wurde. Dann legte er seinem Gefährten, der etwas sagen, vielleicht zum Aufbruch mahnen wollte, die Hand auf die Schulter, und gleichzeitig bedeutete er durch zwei Finger vor den Lippen, daß alle schweigen sollten.
Aus dem Wald war ein einzelner Hengst zur Tränke an den Bach gekommen. Es war ein Falbe, mit dunkler Mähne und dunklem Schweif, gedrungen und kräftig gebaut. Selbst in der ruhigen Bewegung, mit der er jetzt zum Wasser ging und den Kopf senkte, um zu saufen, drückte sich eine verborgene Kraft aus. Harka spürte das Blut bis in die Finger pulsen, und ihm war, als ob seine Nerven surrten. Was für ein Pferd!
Was für ein Pferd!
Als der Hengst seinen Durst gestillt hatte, hob er den Kopf und blieb für Sekunden unbeweglich. Harka starrte das Tier an. Es bezauberte ihn nicht nur der Bau des Tierkörpers, der Stolz seiner Haltung, die Eleganz der geringsten Bewegung, wie sie aus vollendeter Kraft hervorgeht. Die Abendsonnenstrahlen, die auf dieses Tier schienen, beleuchteten nicht irgendeinen guten Leithengst einer Herde, nicht irgendeinen schnellen Renner, nicht irgendein mutiges Pferd. Was da unten am Wasser stand, das war mehr und anders als …
Harka konnte seine Gedanken und Empfindungen nicht weiterführen.
Der Hengst wandte sich, sprang am Wasser das Tal aufwärts, seine Hufe schlugen Erde und Steine. Es schien nicht, daß er verfolgt wurde. Es war, als ob er verfolge. Wieder warf er sich herum. Er biß um sich, nach etwas Unsichtbarem. Harka konnte die Pferdeaugen erkennen. Sie waren in toller Wut verdreht. Wieder
Weitere Kostenlose Bücher