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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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von Baum zu Baum.
    Als sie den Elch erblickten, blieben sie regungslos stehen.
    Es war ein ausgewachsenes männliches Tier, groß, stark und gefährlich wie ein Büffel. Einen Elch zu erlegen, war gemeinhin Aufgabe einer Gruppe von Männern, die das Tier einkreisten. Die Haut des Elches ist so zäh, daß Geschosse leicht davon abprallen. Seiner Kraft bewußt, greift der Elch auch ohne weiteres Menschen an.
    Die beiden Jäger verständigten sich im Dämmer des Waldes durch Handzeichen. Sie hatten sich geschickt angeschlichen, so daß das Wild noch nicht unruhig geworden war. Es fraß mit hoch erhobenem Kopf vom Laub eines Baumes. Die beiden Indianer wollten das Tier mit dem Speer erlegen, nicht im Wurf, sondern im Stoß, um die ganze Kraft hineinlegen und die Elchhaut sicher durchbohren zu können. Ihnen beiden sollte das Tier gehören, und sie wollten gleichzeitig angreifen. Während Stark wie ein Hirsch zunächst am Platze blieb, um im gegebenen Augenblick vorzudringen und den Stoß ins Herz zu führen, begann Harka Steinhart, den Elch zu umgehen, mit so großer Übung und Geschicklichkeit, daß das Tier auch jetzt noch arglos blieb. Als Harka auf die andere Seite des Tieres gelangt war, genügte ein letztes Zeichen, um sich mit dem Gefährten zu verständigen. Beide Jäger griffen zur selben Zeit mit dem Speer an, und beide stießen mit voller Kraft zu.
    Mit durchbohrter Kehle und ins Herz getroffen, brach das gewaltige Tier zusammen.
    Der Siegesruf der Jäger klang jubelnd durch den Wald.
    Als die beiden ihre Beute auf dem Waldboden liegen sahen, kam ihnen die eigene Leistung voll zum Bewußtsein. »Das beste war«, urteilte Stark wie ein Hirsch jedoch bescheiden, »daß er uns zu spät bemerkt hat.«
    Die beiden lächelten ein wenig verlegen, weil sie einander noch viel mehr hätten loben können.
    »Dein Stoß allein hätte genügt«, sagte Harka schließlich zu seinem Gefährten.
    »Auch dein Stoß allein hätte ihn getötet«, anerkannte Stark wie ein Hirsch.
    »Aber der zweifache Angriff hat uns ganz sicher gemacht.«
    »Gut. Ruhen wir die Nacht hier und schleppen wir diesen großen Brocken morgen zu den Zelten?«
    Harka war einverstanden. Er holte die Pferde, und das Nachtlager wurde beim Waldrand bezogen. Zu essen und zu trinken brauchten die Jäger nicht schon wieder. Harka rauchte. Daran hatte er sich in den vergangenen Jahren mehr gewöhnt als sein Gefährte.
    Es war unterdessen dunkel geworden. Über dem Hochmoor lag die fahle Helligkeit von Mond- und Sternenlicht. Im Walde war es finster. Eulen und Fledermäuse kamen aus ihren Verstecken hervor, piepsten und schrien. Die beiden rastenden Jäger hatten ihren Platz so gewählt, daß sie weder von Wolf noch Luchs überrascht werden konnten. Sie waren noch nicht müde genug, um sich schlafen zu legen. Die erste Nachtstunde war eine angenehme Zeit zum Plaudern.
    »Dein neuer Mustang, dieser Fuchs, ist ein prächtiges Tier«, fing Harka das Gespräch an.
    »In deinem Kopfe, mein Blutsbruder, kreist es von Gedanken an Mustangs. Wo ist dein Grauschimmel geblieben?«
    »Ich habe ihn erschossen.«
    Stark wie ein Hirsch spürte, daß er danach nicht weiter fragen sollte. »Und nun«, knüpfte er daher den Faden anders an, »nun denkst du an das Geisterpferd?«
    »Ja.«
    »So. Ich glaube, Harka, ich kann dir die Geschichte des Pferdes erzählen. Die Männer aus unseren Zelten sind die einzigen, die diese Geschichte kennen.«
    »Sprich!«
    »Es begann damit, daß wir neue gute Mustangs brauchten, im Frühling des vergangenen Jahres. Unsere Späher, zu denen auch ich gehörte, spürten eine Herde Mustangs auf, die nach der Schneeschmelze zu uns in den Norden heraufgezogen war. Es war eine stolze Herde, viele kräftige und schöne Tiere befanden sich darunter. Unsere Männer teilten sich. Die Hälfte von uns ging unter Führung von Kluge Schlange in den Wald, um an einem geeigneten Platz einen Korral, einen hohen Zaun aus starken Stämmen, zu bauen. Die andere Hälfte, zu der ich gehörte, verfolgte die Herde, aber nicht feindselig als Jäger, sondern wie im Spiel. Wenn die Mustangs rasteten, weideten und spielten, so machten auch wir Reiterspiele. Die Mustangs schauten uns neugierig zu und gewöhnten sich daran, daß wir ihnen folgten.
    Vorsichtig und ohne daß die Leithengste mißtrauisch wurden, begleiteten wir die Herde auf diese Weise viele Tage. Endlich gelangten wir mit ihr in die Nähe des Korrals. Nun begannen wir die Herde zu lenken. Die Tiere betrachteten

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