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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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weg.«
    »Weg?!«
    »Weg. Ich will dir nicht beschreiben, was ich empfand. Du kannst es dir denken. Ich befragte die Wachen. Sie hatten nichts bemerkt. Ich will nicht wiederholen, was ich zu den Wachen sagte. Auch das kannst du dir denken. Aber kein Wort änderte etwas daran, daß der Leithengst verschwunden war.«
    »Wie ging das weiter? Habt ihr aufklären können, wie er euch entflohen ist?«
    »Als wir die Pferde, die wir behalten wollten, herausgefangen und gefesselt und die übrigen wieder davongejagt hatten, untersuchten wir den ganzen Korral. Es war unmöglich für einen Mustang, die Umzäunung zu überspringen. Dieser Falbe war halb gesprungen, halb geklettert, wie ein Raubtier. Er hatte seine Freiheit zurückgewonnen. Mir blieb nur übrig, seine Fährte ein Stück weit zu verfolgen. Dieses Pferd holt kein Reiter mehr ein, und dieser Hengst läßt sich auch nicht mehr überlisten.«
    »Du denkst, er ist das Geisterpferd?«
    »Er ist es. Einmal habe ich ihn wiedergesehen. Was für ein Tier. Aber sein Sinn hat sich verwirrt. Er geht zu keiner Herde mehr. Er träumt nur noch den Schreckenstraum von dem Augenblick, in dem er unsere List durchschaute, in dem er erkannte, daß er seine Herde in eine Falle geführt hatte, als die Herde ihm aber nicht mehr gehorchen wollte und er nicht mehr wenden konnte. Den furchtbaren Kampf mit seiner eigenen Herde spielt er immer wieder, und wo er Pferde findet, greift er sie an. Die Mustangherden haben gelernt, ihn zu fürchten.«
    »Wie alt mag er sein?«
    »Nicht älter als drei Jahre. Er war sehr jung für einen Leithengst und muß schon ein Fohlen von ungewöhnlicher Kraft und Wildheit gewesen sein.«
    Harka rauchte noch eine Pfeife. »Wolfstöter?« fragte Stark wie ein Hirsch.
    »Ja?«
    »Wirst du nun die ganze Nacht von diesem Mustang träumen?«
    »Kann sein.«
    Die Jagdgefährten teilten die Wachen unter sich ein. Dann legte sich Harka zuerst schlafen. Es kam so, wie sein Blutsbruder es ihm vorausgesagt hatte. Er träumte von dem Falben.
    Als er ab Mitternacht Wache hielt, schlich er in der näheren Umgebung umher und spähte nach allen Richtungen. Es war keine Gefahr zu erwarten, aber die Vorsicht war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Er kroch auf das Moor hinaus bis zu einem guten Aussichtspunkt, schaute über Wälder und Täler und hinauf zu den Bergen im Sternenlicht. Er huschte durch den Wald und lauschte auf die Stimmen und das Rascheln der Tiere in der Nacht. Als der Morgen kam und Stark wie ein Hirsch ebenfalls wieder wach wurde, nahm Harka sich die Zeit, das Moor am Rande ganz hinaufzulaufen, bis zu seinem oberen Ende am Berg, wo ein breit sickernder Bach die Feuchtigkeit des Moores erhielt. Harka hatte in der Nacht von seinem Aussichtspunkt aus dort die Fährte entdeckt, die ihn interessierte, und er wollte sie bei Tageslicht genauer untersuchen. Als er lange ausblieb, kam Stark wie ein Hirsch ihm nach.
    »Was siehst du da, Wolfstöter?«
    »Hier! Das ist er gewesen. Vor zwei Tagen!«
    Im moorigen Grund bei dem versickernden Bach hatten sich die Spuren von Pferdehufen tief eingedrückt. Ein einzelnes Pferd hatte hier gesoffen. Es war gestiegen und hatte ausgeschlagen, ohne daß Fährten irgendeines Gegners vorhanden waren. Harka nahm von einem Zweig Mähnenhaar ab, das dort hängengeblieben war.
    »Zeig her, Wolfstöter!« Stark wie ein Hirsch betrachtete die Haare lange und gab sie Harka zurück. »Du hast recht. Das war er.«
    Harka verwahrte die Haare sorgfältig und hielt weher Ausschau. Die Fährte des Mustangs führte bergauf.
    »Nun?« fragte der Siksikau.
    »Ich habe jetzt keine Zeit für ihn. Gehen wir und bringen den Elch zu den Zelten. Dein Vater will mir morgen mitteilen, wie der Geheimnismann über mich entschieden hat.«
    »Es ist gut, daß du so denkst.«
    Die Jagdgefährten sprangen in großen Sätzen den Hang abwärts, im gleichen Rhythmus, und es machte ihnen dabei Freude, an ihren ersten unbeabsichtigten Wettlauf als Knaben zu denken, bei dem sie zugleich ans Ziel gelangt waren. Den Elch wollten sie nicht an Ort und Stelle abhäuten und ausweiden, sondern diese Arbeit bei den Zelten mit Hilfe der Frauen tun. Sie luden das Tier, das so schwer war wie zwei starke Männer, zuerst Harkas Mustang auf, und dieser führte sein Pferd, während Stark wie ein Hirsch vorausritt. Um die Mitte des Tages wechselten sie, und die Last wurde dem anderen Tiere aufgeladen. Sie kamen auf diese Weise viel langsamer vorwärts als bei ihrem Ausritt und der

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