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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ich gelaufen wie du. Aber warum soll ich bei einem Wettspiele den schnelleren Beinen nicht einen Sieg lassen?«
    Stein mit Hörnern gab darauf keine Antwort. Er war ein Flüchtling, unruhiger, ehrgeiziger, empfindlicher als ein Mitglied einer fest geschlossenen Gemeinschaft. Darum hatte er selbst beim friedlichen Wettlauf seine Kräfte bis zum äußersten eingesetzt. Aber die Worte des Siksikau beschämten ihn. Seine Stimmung schlug plötzlich um, und es wurde ihm lästig, der Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit zu sein.
    Die Festteilnehmer waren alle in Bewegung, um dahin zu eilen, wo das Pferderennen stattfinden sollte.
    Stein mit Hörnern spielte mit dem Gedanken, auf den Falben zu verzichten und die Schimmelstute zu reiten, auch auf die Gefahr hin, daß er dritter oder vierter würde. Aber weder Brennendes Wasser noch die anderen Siksikauhäuptlinge waren damit einverstanden.
    »Der Ruhm des Falben wird der Ruhm unseres Stammes sein«, erklärte Donner vom Berge seinem Blutsbruder, als die Häuptlinge gesprochen hatten. »Das mußt du verstehen.«
    »Dann laßt ihn doch von einem Krieger eures Stammes reiten«, gab Stein mit Hörnern zur Antwort, und der Siksikau spürte die Spitze, die in diesen Worten verborgen war. Es gab keinen anderen Krieger als Stein mit Hörnern, den der Falbe auf seinem Rücken duldete. Stein mit Hörnern aber war kein Siksikau.
    Der Falbenhengst lief das Rennen, wie er wollte. Seine Freude, jeden anderen Mustang hinter sich zurückzulassen, wurde in seinem Schnauben und Stampfen am Start, in seinem federnden Galopp, im Spielen aller seiner Muskeln und Sehnen spürbar. Sein Reiter hatte es nicht einmal nötig, ihn ganz auszureiten. Er ritt fast betont nachlässig und lächelte ironisch, als ihm der Preis zuerkannt wurde. Donner vom Berge war zweiter geworden. Dritter und vierter wurden zwei Assiniboine, Speerspitze fünfter; Schonka gelangte in der letzten Gruppe zum Ziel.
    »Wenn das Fohlen erst groß ist, wirst du erster!« meinte Stein mit Hörnern zu Donner vom Berge, als die beiden ihre Tiere wieder zum Anpflocken vor das Zelt brachten.
    Das Wettschießen versprach der Höhepunkt der Einzelwettbewerbe zu werden. Schießen und treffen zu können, das war für die Prärieindianer nicht nur eine Frage der Kampftüchtigkeit. Es war auch eine Probe darauf, ob sie gut jagen, das hieß gut arbeiten konnten, ob sie sich selbst, Kinder, Frauen und Alte zu versorgen vermochten. Wie am Morgen beim Wettlauf und Wettreiten, so sollten auch jetzt nur die jungen Krieger, die Männer von etwa neunzehn bis fünfundzwanzig Jahren ihre Geschicklichkeit messen. Der Wettbewerb fand mit Pfeil und Bogen statt, nicht mit Feuerwaffen. Die Häuptlinge waren sich darüber einig geworden, drei Aufgaben zu stellen:
    ­ einen runden büffelledernen Schild aus einer Entfernung von hundert Schritt in der Mitte zu treffen, und zwar so kräftig, daß der Pfeil festhakte
    ­ das gleiche Ziel aus der gleichen Entfernung vom galoppierenden Pferd aus zu treffen
    ­ einen Schild, mit dem sich ein Reiter im Galopp abschirmte, in der Mitte zu treffen.
    Die besten Schützen sollten das Recht haben, noch mit einem beliebigen Schuß ihre Geschicklichkeit vorzuführen.
    Der Wettbewerb bei den ersten beiden Aufgaben wurde so organisiert, daß die Entscheidungen schnell fallen konnten. Es lagen zwölf büffellederne Schilde bereit, und die jungen Krieger wechselten sich ab im Halten der Schilde und im Schießen. Schiedsrichter war eine Gruppe von Häuptlingen. Stein mit Hörnern und Donner vom Berge fanden sich sofort zusammen; zuerst hielt der eine, dann der andere den Schild. Das Ziel der Schildmitte wurde von beiden einwandfrei getroffen. Das war sehr rasch gegangen. Die beiden wollten noch bei einigen anderen Schüssen zusehen oder auch noch beim Halten der Schilde behilflich sein. Ein Assiniboine gab Donner vom Berge den Schild, legte an, schoß sofort und traf gut. Stein mit Hörnern wurde ebenfalls angesprochen. Als er sich umblickte, stand Schonka vor ihm und drückte ihm einen Schild in die Hand. Stein mit Hörnern konnte den anderen nicht abweisen, das hätte in diesem Augenblick lächerlich gewirkt. Er stellte sich also mit dem Schild in die Reihe der Schildträger und hielt den Schild genau wie diese, vor Brust und Schultern. Über den Schild weg beobachtete er den Schützen, so wie das alle taten. Schonka zielte im Stehen, wie es vorgeschrieben war. Er zielte ziemlich lange, hin und her, als ob er unsicher

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