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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ob ich in diesem Laufe heute langsamer sein werde als er.«
    Zwölf junge Krieger, je vier aus jedem der drei großen Stämme, kamen am Start zusammen. Auch die Zielrichter wurden von den drei Stämmen gestellt. Als das Startzeichen gegeben wurde, hing sich Stein mit Hörnern sofort an die Fersen seines gefährlichen Gegners. Allerdings mußte er sich dabei auch selbst aufs äußerste anstrengen. Antilopensohn bemerkte die Taktik seines Rivalen wohl und begann sofort seine volle Schnelligkeit zu entwickeln. Er wollte den anderen möglichst rasch abschütteln. Der Wettbewerb der beiden führte dazu, daß sie einen Vorsprung vor den übrigen zehn Teilnehmern gewannen und einen Lauf unter sich liefen. Neben der alten Rivalität im Wettlauf spielten dabei noch andere Empfindungen mit. Alte Antilope, Antilopensohns Vater, hatte Mattotaupa einst gehässig verhöhnt und ihm die Rückkehr zum Stamme verwehrt, und Mattotaupa hatte Alte Antilope mit dem Pfeil getötet. Jetzt waren die Söhne zum friedlichen Wettstreit angetreten, und wenn sie auch nach außen hin alle friedlichen Regeln einhielten, so waren ihre Gedanken dabei doch feindlich.
    Es war noch früh am Morgen, und obgleich die Hochsommertage auch am Morgen schon warm waren, brannte oder stach die Sonne jetzt noch nicht. An geeignetem Platz für den langen Streckenlauf gebrach es auch nicht, denn rings war ebenes, grasiges Land. Die Strecke, die die Wettläufer zu durcheilen hatten, war eine Gerade von fünf Kilometern; sie mußte zweimal durchlaufen werden, hin und zurück. Am Ziel, das zugleich Start war, standen die Richter. Rechts und links der Naturbahn hatten sich alle versammelt, die zu dem Feste zusammengekommen waren, Häuptlinge, Zaubermänner, alte und junge Krieger, Burschen, Knaben, Frauen und Mädchen. Zehntausend Meter galten für junge Krieger als eine kurze Strecke, auf der sie ihre Schnelligkeit entfalten konnten. Die Zuschauer feuerten die Läufer mit ihren Rufen an, und als sich der Wettbewerb zwischen Antilopensohn und Stein mit Hörnern abzuzeichnen begann, gerieten die beobachtenden Krieger und Jungen in helle Aufregung und Begeisterung. Die Läufer nahmen es auf kurzer Strecke mit einem Mustang auf. Sie flogen über das Grasland, barfuß, nur mit dem Gürtel bekleidet. Die langen sehnigen Beine wirbelten. Sie liefen, als ob es nicht einen Wettlauf, sondern einen Kampf gelte, und gaben ihre Kräfte aus. Antilopensohn wurde nervös, weil er die Sprünge unmittelbar hinter sich immerzu vernahm. Er fürchtete jeden Augenblick, daß der andere an ihm vorbeiziehen wollte, und legte ein immer schärferes Tempo vor. Er konnte nicht wissen, daß seinem Verfolger das Herz noch heftiger klopfte als ihm selbst. Er hörte nicht einmal den anderen keuchen, weil er selbst schon keuchte. Er hörte nur immer die Sprünge, und das Geschrei der Zuschauer brandete ihm ins Ohr. Bald war der Wendepunkt erreicht, und noch immer hatte er Stein mit Hörnern nicht abgehängt. Mit aufbrausender Wut versuchte er seine Geschwindigkeit noch zu steigern. Aber beim Wenden trat er auf dem unebenen Grasboden fehl. Er stürzte nicht, verletzte auch den Fuß nicht, aber sein nächster Sprung war unsicher und kürzer. Das war der Augenblick, in dem Stein mit Hörnern, unter dem Jubel der Siksikau, an Antilopensohn vorbeizog.
    Noch hatte Stein mit Hörnern den Wettlauf nicht gewonnen, aber als Antilopensohn ihn vor sich sah, ließ die Energie des schnellen jungen Dakota plötzlich nach. Antilopensohn fühlte das Seitenstechen, den Luftmangel. Er hielt das bisherige Tempo nicht mehr durch.
    Stein mit Hörnern erreichte das Ziel als erster. Zwei Schritte zurück folgte Antilopensohn. Als die beiden das Ziel passiert hatten, warfen sie sich auf den Rücken ins Gras. Sie waren naß von Schweiß, ihre Lungen waren ausgepumpt, das Herz erschöpft. Langsam erst kam ihr Atem zur Ruhe. Die anderen Teilnehmer des Wettlaufs standen schon um sie herum, als sie sich wieder erheben konnten.
    Stein mit Hörnern wurde als Sieger umjubelt.
    Sein Gesicht war von der Anstrengung noch verzogen, aber allmählich wich die Verzerrung einem Lächeln. Er ging mit Donner vom Berge zusammen zu den Zelten zurück. Donner vom Berge war dritter geworden und freute sich neidlos am größeren Erfolg seines Freundes.
    »Das, was ich gemacht habe, hättest auch du machen können«, sagte Stein mit Hörnern zu ihm. »Du wolltest nur nicht.«
    »Nein, ich wollte nicht«, gab Donner vom Berge zu. »Im Kampf wäre

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