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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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links und rechts der Schußbahn. Keiner unter ihnen hätte sich selbst den Schuß zugetraut, der jetzt abgegeben werden sollte. Es bedurfte großer Kraft, einen Pfeil mit einem einfachen Bogen auf eine solche Entfernung fortzuschnellen, so kräftig zu schnellen, daß er auf dreihundert große Schritte noch festhakte, und es bedurfte einer gefühlsmäßigen Treffsicherheit, wenn der Pfeil im Ziele landen sollte. Nur diejenigen unter den Zuschauern, die Mattotaupas Schuß vor Jahren miterlebt hatten, hielten ihn überhaupt ernsthaft für möglich.
    Stein mit Hörnern stand dem Vater in der verlangten Entfernung gegenüber; er hielt den Knochenbogen noch gesenkt und schien sich in Entfernung, Ziel und Waffe noch einmal hineinzufühlen. Es war ganz still rings; im Schweigen vibrierte die Erwartung, auch der Zweifel.
    Stein mit Hörnern hob den Bogen, legte den Pfeil ein, spannte den Bogen von wunderbarer Elastizität mit seiner ganzen Kraft, zielte und schoß ohne Verzug. Die Sehne surrte laut im Zurückschnellen, der gefiederte Pfeil flog schneller, als ihm das Auge folgen konnte.
    Alle starrten auf den Schild, den Mattotaupa hielt.
    Bei denjenigen Zuschauern, die in Mattotaupas Nähe standen, brachen nach einem fast ehrfürchtigen Erstaunen die ersten Jubelrufe los.
    »Getroffen! Getroffen! Der Sonnenschuß!«
    »Der Sonnenschuß! Der Sonnenschuß!« lief der Ruf weiter. Der junge Krieger, um dessen Hals die Kette aus Bärenkrallen lag, war zum Mittelpunkt des Festes geworden.
    Der Herold verkündete noch einmal: »Stein mit Hörnern, der Sohn Mattotaupas, hat den Schild auf hundert Schritt aus dem Stehen getroffen! Stein mit Hörnern hat den Schild auf hundert Schritt vom galoppierenden Pferde getroffen! Stein mit Hörnern hat den Schild eines Schildträgers auf galoppierendem Pferde sicher getroffen! Stein mit Hörnern, der Sohn Mattotaupas, hat den Sonnenschild auf dreihundert Schritt getroffen. Stein mit Hörnern ist der beste Schütze unter den jungen Kriegern!«
    Als dieser Heroldsruf verklang, war Mattotaupa schon wieder herbeigekommen. »Das hast du gut gemacht«, sagte er und wies dem jungen Schützen den Schild vor, in dem der Pfeil noch genau in der Mitte, in der alten Pfeilkerbe, festhakte.
    »Nicht besser als einst du«, antwortete Stein mit Hörnern dem Vater.
    Nach den großen Kampfspielereignissen brachte das Ballspiel für die Zuschauer eine angenehme Entspannung. Die jungen Krieger, die schon den Wettlauf und das Reiterspiel hinter sich hatten, mochten darüber allerdings anders denken, denn sie waren sehr müde, aber keiner von ihnen ließ sich etwas anmerken. Es war der Vorschlag aufgetaucht, daß bei der vorgeschrittenen Zeit nicht vier Spiele zwischen den drei Stämmen ausgetragen werden sollten, sondern ein einziges Spiel. Zwei Mannschaftsführer sollten gewählt werden, die das Recht hatten, sich durch abwechselnden Aufruf der Spieler, die sie auf ihrer Seite zu haben wünschten, ihre Mannschaft zu bilden. Niemand wußte recht, wo dieser Gedanke hergekommen war. In Wahrheit hatte Stein mit Hörnern dem Häuptling Brennendes Wasser ein solches Verfahren nahegelegt, und von da war der Vorschlag durch den Kreis der Oberhäuptlinge gewandert und für gut befunden worden. Die Siksikau schlugen Donner vom Berge als Anführer einer Mannschaft vor, die Dakota Antilopensohn, die Assiniboine ebenfalls einen jungen Krieger. Donner vom Berge trat zurück, um die Wahl des Assiniboine zu unterstützen. Das fand allgemein wohlwollende Billigung. Antilopensohn und der Assiniboine traten vor. Das Los entschied, daß der Assiniboine zu wählen beginnen durfte, und er wählte sofort Donner vom Berge. Antilopensohn stand vor einer schweren Entscheidung, als er sein Votum als zweiter abzugeben hatte. Aber der Spieleifer der Wettbewerber hatte alle Herzen und Hirne inzwischen derart durchdrungen, daß bei den jungen Kriegern nur noch die Aussicht auf Sieg auf dem Wettspielplatz galt und alles andere dahinter verblaßte. So rief Antilopensohn Stein mit Hörnern zu sich herüber. Auch Speerspitze kam auf diese Seite.
    Das Spielfeld war abgemessen, und die Ordner wiesen alle Zuschauer aus seinen Grenzen hinaus. Bisher hatten die Spielordner nicht viel zu tun gehabt, aber beim Stockballspiel pflegten die Leidenschaften hochzugehen, und alle Ordner fanden sich zusammen, um ein ungestörtes Spiel zu sichern und die Zuschauer zurückzuhalten. Die Ordner selbst boten ein farbenprächtiges Bild. Es waren schön gewachsene

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