Heimkehr zu den Dakota
schwermütige Schönheit, die Verschwiegenheit, mit der sie ihren Kummer trug, schufen eine Art luftleeren Raumes um sie. Als die Reihe an ihr war zu sprechen, sagte sie: »Mein Name ist Uinonah. Mein Vater ist Mattotaupa. Ich lebe in den Zelten der Bärenbande vom Stamme der Oglala, die zu den Teton- Dakota gehören. Meine Mutter ist tot. Untschida wacht über mich und hat mich alles gelehrt, was ein Mädchen können muß.«
Es trat Stille ein. Vielleicht hatten die Zuhörer erwartet, daß Uinonah noch weitersprechen und irgend etwas Rühmenswertes aus ihrem Leben berichten werde. Aber sie hatte das, was sie sagen wollte, abgeschlossen.
Doch nun trat Tschotanka vor, in dessen Zelt Uinonah mit zum Feste gekommen war, und sprach: »Untschida hat Uinonah nicht nur gelehrt, Häute zu gerben, Fleisch zu bereiten, Kleider zu nähen und zu besticken und ein Zelt zu bauen. Uinonah kennt alle heilenden Krauter und weiß sie zu finden. Sie kann leichte und schwere Wunden geschickt behandeln, und unter ihren Händen heilt, was sonst nicht mehr heilen will. Sie hat dadurch zwei unserer Krieger, mich selbst und den Alten Raben, vor dem Tode errettet, als die Watschitschun uns mit ihren Geschossen schwer verletzt hatten. Der Zaubermann Hawandschita konnte unsere Wunden nicht mehr schließen und das Blut nicht mehr stillen, aber Uinonah vermochte es, so wie Untschida es sie gelehrt hatte. Untschida ist eine große Geheimnisfrau, und Uinonah ist ihre Tochter. Ich habe gesprochen, hau.«
Diese Rede fand großen Beifall im Rund der Zuhörer, denn Wunden zu heilen, war eine sehr wichtige Kunst in einem Volk von Jägern und Kriegern, und Tschotanka hatte nicht nach Hörensagen, sondern aus eigener Erfahrung berichtet. Die Blicke, die sich auf das schöne und stille Mädchen im Kleid aus weißem Büffelfell richteten, waren freundlich und voll Bewunderung.
Auch Mattotaupa, der Vater, und Stein mit Hörnern, der Bruder, schlossen sich von diesen allgemeinen Empfindungen nicht aus. Es war nach langer Zeit wieder das erstemal, daß Vater und Sohn ganz von selbst das gleiche dachten und fühlten. Sie begriffen auch beide mit einem Schlage, daß Uinonah, obgleich sie nur ein Mädchen und die Tochter eines Verbannten war, im Stamme daheim eine unangetastete Stellung behauptet hatte. Angesehene Krieger achteten sie hoch.
Schonka meldete sich zu Wort. Er hatte sich vorher kurz mit einem Dakotakrieger in mittlerem Alter besprochen. Stein mit Hörnern hatte das genau beobachtet, aber Uinonah konnte es nicht gesehen haben, denn sie stand in diesem Augenblick mit dem Rücken gegen die beiden.
»Tschotanka!« begann Schonka, dem seine Frau Hyazinthe den Festrock fast zu prächtig bestickt hatte, gemessen daran, daß er erst ein junger Krieger war. »Tschotanka, du sprichst wie ein guter Vater über das Mädchen Uinonah, und doch hast du zweierlei noch nicht gesagt. Ich will das Gute zuerst bringen. Die beiden Häuptlingstöchter, die als erste im Kreise sprachen, haben kühne Taten von sich berichtet. Auch Uinonah ist mutig. Sie hatte noch nicht zehn Sommer gesehen, als sie es wagte, die Fesseln, die Tashunka-witko ihrem Vater angelegt hatte, heimlich zu lösen.«
Alle Augen richteten sich auf Tashunka-witko und auf Mattotaupa. Nur Stein mit Hörnern vermied es, den Vater anzusehen, Ehe aber irgend jemand anders sprechen oder irgend etwas geschehen konnte, sagte Uinonah selbst schon laut und vernehmlich: »Was du sagst, Schonka, ist unseren Ältesten bekannt. Aber sie haben mich nicht bestraft. Denn Mattotaupa ist mein Vater, und ich war ein Kind. Mit dieser Tat kannst du niemanden schmähen.«
»Ich wollte dich nicht schmähen, ich habe dich gelobt!«
»Du lügst. In das gestickte Leder deiner schönen Rede war ein Dolch eingewickelt.«
Die Zuhörer schienen Uinonah recht zu geben.
»Mädchen, hüte deine Zunge!« rief Schonka um so zorniger. »Ich habe noch mehr zu sagen, und alle werden noch erkennen, wer hier lügt! Tschotanka ist gut wie ein Vater zu dir, und Untschida bemüht sich, dich zu erziehen. In dir aber sitzt ein betrügerischer Geist!« Schonka wandte sich von Uinonah ab und Tschotanka zu. »Tschotanka! Wo war Uinonah in der Nacht vor Beginn unseres Festes?«
Nach dieser Frage stieg bei den Umstehenden rings die Spannung, bei manchen bereits vorweg die Empörung gegen die Verdächtigung. Bei anderen brach die Neugier auf, ob dieses Mädchen im weißen Büffelfell vielleicht doch etwas getan habe, was es nicht durfte.
»In
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