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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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nicht mehr das alte Elektrodensystem mit einem äußeren Impulsgeber, der ja, und sei er noch so verwachsen mit seinem Trägermaterial, immer ein Fremdkörper bleiben musste. Wie nahezu unsichtbar und irreversibel man das Steuergerät auch einfügte, die ganze Sache blieb im Grunde Prothese und damit Improvisation, halbherzige Verbesserung, und le mieux est l’ennemi du bien , nicht wahr? Was durch dieses Herumgedokter im besten Fall entstehen konnte, war spannungslose und zugleich immer überspannte Symbiose, mehr nicht, keine Ganzheitlichkeit, kein flow .«
    »Ja natürlich, das ist mir ja klar, ich versteh nur nicht, warum man diesen flow nicht besser kontrollieren oder wenigstens untersuchen kann, ich meine, ich glaube wirklich sagen zu dürfen, dass mein Prana in ganz ausgezeichneter –«
    »Eben drum! Denn alles was fließt, können Sie vergessen – nun schauen Sie nicht so!« Er tätschelt mir lachend die Schulter. »Ich mein das ganz wörtlich. Sehen Sie, in dem Moment, als es zwischen dem Dendriten der Stortexzelle und dem Axon der alten Nervenzelle zum ersten Mal wirklich gefunkt hat und sie den synaptischen Bund besiegelten, sodass Adam und Gott sich die krummen Zeigefinger noch einmal reichen konnten, einander in die Augen sahen und Gott mit seiner rauchigen Stimme sagte: cells that fire together, wire together , in dem Moment kam alles noch einmal in Fluss – Sie können sich wieder anziehen –, und deshalb sind wir jetzt in gewisser Weise, wenn auch nur vorübergehend, da bin ich ganz zuversichtlich, erst einmal ein ganzes Stück nach vorn zurückgeworfen, wenn Sie verstehen …?«
    »Sie meinen, dass unser Material zu gut strömt für unsere Apparate, und seien es die neuesten?«
    »Ja, so in etwa. Aber vielleicht ist das auch alles Unsinn«, er wirft seufzend sein Besteck in den Mülleimer und lässt sich dann tief in den niedrigen Ledersessel neben dem Behandlungstisch sinken, während ich mich leicht schwindelnd auf dem Tisch aufsetze und mir, das Kinn auf der Brust, das Hemd wieder zuknöpfe. Als ich wieder aufschaue, hält er mir von unten seine Zigaretten hin, und dankbar greife ich zu. Eine Weile rauchen wir schweigend, und ich lasse die Seele baumeln, weil der Tisch so schön hoch ist. Schließlich nehme ich räuspernd das Gespräch wieder auf:
    »Glauben Sie wirklich, das sind nur Übergangsprobleme, die wir bald endgültig –«
    »Ach Blödsinn. All die Störfälle lassen sich so wohl kaum erklären. Natürlich, alle Probleme sind Probleme des Übergangs, was denn sonst? Und auch wenn wir das prometheische Gefälle zwischen uns lausigen Zellhaufen und unserer erhabenen Technik in uns selbst aufgehoben haben, wo es freilich bestens aufgehoben ist, so sind wir doch noch immer Prothesenwesen, und so wird’s auch bleiben, bis zum Schluss – aber das nur unter uns.«
    »Hm, aber sagten Sie nicht gerade …?«
    »Ach, was interessiert mich mein Geschwätz von vor fünf Minuten!« Er hievt sich aus seinem Sessel und schüttelt lachend seinen Schwermutsanfall ab. »Ingwertee?«
    »Nein danke, kann das Zeug nicht mehr sehen.«
    »Ja, Sie haben recht, ich auch nicht. Also, zurück zu Ihnen. Wie gesagt, wann immer Sie’s in den nächsten Tagen mal einrichten können, gehen Sie eine Nacht ins Schlaflabor, nur zur Sicherheit, es sieht ja soweit alles gut aus. Vielleicht sind Sie tatsächlich einfach nur ein bisschen trunken zerebral , wie man das früher nannte, beschwipst von irgendeiner alten Geschichte, kommt ja vor.«
    »Hm, ich weiß nicht recht …«
    »Sie müssen Ihren Eigenbericht jetzt langsam angehen, oder?«
    »Ja, bis Ende des Jahres muss ich das endlich –«
    »Apropos, eine leichte Häufung des Wortes endlich , schon mal aufgefallen?«
    »N-nein.«
    »Nicht?«
    »Eigentlich nicht, nein … also jetzt, wo Sie’s –«
    »Sonst weiter keine verbalen Fixierungen?«
    »Nicht dass ich wüsste, aber mir ist ja auch nicht auf-«
    »Na, nicht weiter schlimm, aber versuchen Sie’s zu kontrollieren, Sie speisen’s als Präventivorder ein, und dann reguliert sich’s schon.«
    »Ist gut.«
    »Ist einfach besser, wir können solche Spasmen gleich von vornherein …«
    »Ja, na klar.«
    »Gelegentliche Déjà-vus?«
    »N-nein, keine.«
    »Gut. Jamais-vus?«
    »Wohl kaum«, ich lache. »Seit Ewigkeiten nicht, ich glaube, seit ich hier bin nicht mehr.«
    Dr. Tulp lacht verständig nickend und reibt sich dann das Kinn:
    »Tja, was könnt ich noch für Sie … Ich werde Sie für ein paar Wochen

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