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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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vom GV befreien lassen.«
    »Ach, das wäre mir aber sehr angenehm. Meinen Sie, das geht?«
    »Natürlich, wir können die Dienste doch problemlos schieben.«
    »Nicht dass uns die Hygienestelle Ärger macht.«
    »Nein, keine Sorge, wir sind doch gut besetzt, wirklich. Zur Not muss der ein oder andere Pfleger mal eine zusätzliche Schicht machen.«
    »Vielen Dank! Das wäre wirklich eine große Hilfe.«
    »Natürlich, gern geschehen, Kollege.«
    »Tja, dann …«, unentschieden oder eher unwillig bewegt Referent sich in Begleitung von Dr. Tulp in Richtung Tür und blickt dabei zurück auf den Behandlungstisch, »war’s das wohl, mehr kann man jetzt wohl erst mal nicht machen, wie? Natürlich ist es immer etwas unbefriedigend, nicht gleich eine Veränderung –«
    »Na, nun seien Sie mal nicht so kleinmütig!« Dr. Tulp drückt Referent kräftig die Hand und lächelt ihm mit dem linken Auge aufmunternd zu. »Und außerdem wissen Sie doch: Wenn die Zeit zur Neige geht, kommt sie verändert zurück, weil die Neige ihr den Kopf gewaschen hat. Ich wünsch Ihnen einen schönen Abend, Dr. von Stern.«

12.
    Kurzer Kontrollgang vor den Spiegel, Abendanzug sitzt perfekt, Seitenscheitel perfekt, Einstecktuch per-… na, nicht ganz, noch mal neu falten – perfekt. Referent überpünktlich fertig fürs Abendessen, kann in aller Ruhe den Flur hinunter flanieren, rechte Hand prüft linken Manschettenknopf und linke den rechten. Nicht dass es da etwas zu prüfen gäbe, aber die Geste ist doch zu schön, um falsch zu sein, viel schöner jedenfalls, als wenn eine Hand die andere desinfiziert.
    Frau von Hadern, meine heutige Abendpatientin, steht bereits in feiner Toilette hinter ihrer Tür und wartet opiumrhabarbernuckelnd auf Referenten. Graziös huldvoll winkt sie ihm mit der freien Rechten durch das Glas zu, während ich gemächlich den an einer Silberkette am Hosenbund befestigten Omnibus aus meiner Hosentasche ziehe, ihre Tür aufschließe und sie dann wegen ihrer leichten Schwerhörigkeit wie immer etwas zu laut und überschwänglich begrüße:
    »Na, meine Gnädigste, guten Abend, wie geht es Ihnen heute?«
    »Ach lassen wir das, sagen Sie mir lieber, wie ich aussehe. Dieser Idiot von Friseur hat heute fast eine Stunde an den Aufbauten auf meinem Kopf laboriert.«
    »Na, aber hat sich doch gelohnt, Sie sehen bezaubernd aus, ganz bezaubernd.«
    »Mhm, meinetwegen. Kann ich die Flasche mit-«
    »Nein, die bleibt schön hier. Nicht bei Tisch, wie oft soll ich Ihnen das noch –«
    »Schon gut, schon gut, dann geben Sie mir schon Ihren verdammten Arm und bringen wir’s hinter uns.«
    »Sie sollten versuchen, etwas mehr Freude an den Mahlzeiten aufzubringen. Sie müssen es wirklich versuchen, tun Sie’s mir zuliebe!«
    »Ja, wem auch sonst?« Sie lächelt mir trübe zu und lässt sich dann von mir ins Freie, auf die noch halbleere Terrasse abführen, wo die Kellner bereits mit angespannter Höflichkeit um die Patienten herum servieren, von denen die meisten das Hinsetzen so lange wie möglich hinauszögern, von einem Fuß auf den anderen tretend hinter ihrem Stuhl stehenbleiben und dabei mehr oder weniger Unverständliches vor sich hin murmeln oder summen, bis ihre Referenten oder Pfleger sie schließlich auf den Platz neben sich hinabziehen.
    Referent heute von derlei Nervenproben verschont, Patientin wie stets in der Öffentlichkeit gut und anständig, setzt sich soldatisch elegant auf ihren Platz, erwidert die Grüße unserer Tischnachbarn mit verachtenden oder eher mit angesichts der Nichtigkeit ihrer Gegenüber aufrichtig verwunderten Blicken, streicht kopfschüttelnd die riesige Stoffserviette auf ihrem Schoß glatt und beginnt, diszipliniert misslaunig ihre Algensuppe zu löffeln, ohne dabei ihren Rücken auch nur einen Deut zu beugen. Von Patientin nicht in Anspruch genommen oder eher der Ansprache erwogen und für zu leicht befunden, muss Referent seinen uneingeladenen eigenen Gedanken nachhängen, lauscht dem hoch desinfektiösen Gesang von Schwester Caroline, die heute What a difference a day makes zum wie immer besten Essen gibt, und beobachtet dabei zerstreut, wie auch die letzten Rumsteher und sonstigen Störenfriede unter dem aseptischen Tremolo der Schwester einknicken und sich achselzuckend ihrer Vorspeise widmen.
    Ja, in der Tat, was für einen Unterschied ein Tag macht! Seltsamerweise ist es ja immer noch, twenty-four little hours , schon wieder ein Abend im schönsten Mai, genau wie gestern, die Luft noch

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