Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)
verdreht, mit dem Gesicht zu Boden und eingedrehter Schulter, Arm unter dem Körper gekrampft, und nur noch schwach röchelnd auf dem schönen eierschalenfarbenen Bettvorleger liegt, und selbst dann hilft er ihm nicht, als Schwester Ariane und Pfleger O.W. ins Zimmer stürmen, verstört zwischen Referent und Patient hin und her schauen, bevor sie Notbeatmung und Systemeinstellung des Patienten besorgen.
14.
»W-was ist geschehen?«
»Alles in Ordnung, keine Sorge!«
»Aber wo … was … mir fehlt ein Stück, ich hab eine Lücke, fürchte ich.«
»Sie haben keine Lücke, Dr. von Stern, sondern einen Riss, genauer gesagt eine haarfeine Läsion im rechten Stortex, nicht weiter schlimm eigentlich, aber kann manchmal zu unschönen Ausfällen führen, und deshalb sind Sie …«
»Wo im Stortex? Präfrontal nehm ich an?«
»Ja, genau.«
»Und darüber, ich meine kortikal?«
»Oh, da ist alles in Ordnung, an dem alten Stirnlappen liegt’s nicht.«
»Na dann … Gott, ist mir schwindelig! Ich glaub, ich muss kotzen.«
»Halt, halt, halt, liegengeblieben, Herr Doktor! Das ist jetzt der Gegenwartsflash, geht gleich vorbei, ganz normal, wenn man so einen Riss in der Zeit hat und dann wieder da ist, dann ist man kurz voll drauf, wissen Sie ja selbst.«
»Hm.«
»Schießt ganz ordentlich, was?«
»Hm.«
»Wird besser schon?«
»Hm.«
»Geht’s wieder?«
»Ja, ich glaube«, langsam hebe ich den Kopf, blicke mich in der winzigen, schummrig beleuchteten Notaufnahme um, in deren einer Ecke sich seltsamerweise grüne Plastikkisten voller Gemüse stapeln, und begreife erst jetzt, obwohl ich ihn zugleich natürlich sofort erkannt habe, dass der Arzt, der halb sitzend, halb stehend sein Knie auf meiner Pritsche abgelegt hat und dessen routiniert prüfende Blicke zwischen mir und den Geräten rechts hinter meinem Kopf hin und her wandern, kein Arzt, sondern der Pfleger O.W. ist. »Sagen Sie, wer hat mich versorgt?«
»Na, ich natürlich, Dr. von Stern!«
Er schaut mich leicht gekränkt an, und ich beeile mich, lächelnd hinzuzufügen:
»Natürlich, ich meine nicht versorgt, sondern untersucht, behandelt, Sie wissen schon …«
»Na, auch ich«, seine graublauen Augen verdunkeln sich enttäuscht, er schiebt das Kinn leicht nach vorn und seine perfekt seitengescheitelten blonden Haare aus der Stirn unter die Pflegerhaube. »Aber wenn Sie sich nicht gut aufgehoben fühlen in meinen Händen, Doktor, dann kann ich ja …«
»Nein, nein, nein«, ich klopfe ihm kurz begütigend aufs Knie, das er gerade von der Pritsche ziehen wollte, »so meinte ich es nicht, nur … es ist doch klar, dass hier eigentlich ein Arzt …«
»Ja, aber ich dachte, es wäre Ihnen lieber, keine große Sache draus zu machen, Doktor«, er zieht bedeutsam Achseln und Augenbrauen in die Höhe, blickt mir dabei unverschämt unvermittelt in die Augen, aber wegen meiner anhaltenden Schwäche schaue ich ihn nur weiter aus müde fragenden Krankenzimmeraugen an, sodass seine Komödie ins Leere geht und er in sein übliches ernst bescheidenes Rapportieren zurückfindet. »Ich habe Sie hierher gebracht, nachdem Schwester Ariane und ich den Professor versorgt haben, Herr Doktor, und …«
»Wie geht’s ihm?«
»Zirkumstanziell, Patient soweit wohlauf, Herr Doktor.«
»Hm, schön, und weiter? Wieso haben Sie meinetwegen keinen Arzt gerufen?«
»Es … es schien mir angesichts der Umstände sinnvoller, Sie zunächst privat zu versorgen, da keine akute Lebensgefahr zu bestehen schien …«
»Schien, wie? Sind Sie in der Lage, das zu beurteilen, Pfleger?«
»Ja, Herr Doktor, ich denke schon. Ich weiß natürlich, dass ich hier meine Kompetenzen gewaltig –«
»Ja, das kann man wohl sagen!«
»Aber sehen Sie, ich wusste zufällig, dass die Kamera hier unten schon seit Ewigkeiten defekt ist, und da dachte ich …«
Wieder zuckt er mit den Achseln, diesmal aber nicht süffisant, sondern um Verständnis bittend oder eher darum, sich oder vielmehr mich nicht weiter erklären zu müssen, und so nicke ich ihm ein paarmal schnaufend zu und hangle mich dann an seinem auf die Pritsche gestützten Arm langsam nach oben, bis er nachhilft und ich schließlich neben ihm sitze. Noch immer etwas schwindelnd, sehe ich keuchend an mir herab und stelle zu meiner Zufriedenheit fest, dass immerhin mein Abendanzug nicht sonderlich gelitten hat.
»Gut, sehr schön, O.W., wir können das ja en détail besprechen, wenn ich es für meinen Bericht brauche. Dann werde ich
Weitere Kostenlose Bücher