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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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jetzt mal meine Kontrollrunde machen.«
    Ich nicke ihm noch immer schwachsinnig zu, um das neu aufsteigende Kotzgefühl zu unterdrücken, und schiele dabei auf die Initialen auf seiner Kittelbrusttasche. Dabei fällt mir auf, dass ich seinen vollständigen Namen gar nicht kenne, obwohl er mir schon vor fünfzehn Jahren als persönlicher Pfleger an die Seite gestellt worden ist, seitdem bei meinen Patienten einspringt und einen Großteil der Hygienearbeit für mich erledigt. Während er mir die Elektrolaminierkabel wie Strohhalme vom Kopf liest und ich überlege, ob er wohl mittlerweile auch schon über vierzig ist und ob er eigentlich immer diese dünne weiße Lederkrawatte zum Kittel trägt, frage ich ihn leichthin:
    »Sagen Sie, O.W., wie heißen Sie eigentlich?«
    »Wie bitte?«
    Er hält mit über meinem Kopf gehobenen Armen in meiner Abnabelung inne, sieht mich verwirrt an, und Referent wird die Szene langsam lästig oder eher peinlich.
    »Na, wie Sie vollständig heißen«, Referent lacht kurz auf. »Sie müssen doch einen Namen haben, oder nicht?«
    »Ach, einen Namen hat ja jeder«, er lässt die Arme fallen und zuckt andeutungsweise nur noch mit der linken Schulter, als wäre auch die halbe Geste schon Verschwendung, »und wissen Sie, Herr Dr. von Stern, nach all den Jahren …«
    »Ja, Sie haben recht, lassen wir’s dabei. Zu Ihrer Diagnostik«, Referent dreht sich zum verstaubten Monitor rechts neben der Pritsche, auf dem noch immer die altertümlichen fMRT-Bilder seines Hirns zu sehen sind, und nickt dann anerkennend. »Ja tatsächlich, ein haarfeiner Riss da vorn, kaum zu sehen, könnte man auch für einen Ausläufer der Mantelkante halten. Haben Sie’s überhaupt einigermaßen kitten können mit diesen alten Geräten und mit diesen Schrottkabeln?«
    »Ich denke schon, Herr Doktor, zumindest provisorisch ist das Laminat erst mal wieder dicht.«
    »Gut, und wieso kennen Sie sich im Stortex so gut aus?«
    »Ich sehe Ihnen doch schon eine ganze Weile über die Schulter, Herr Doktor.«
    Noch immer etwas zu weich lasse ich mich von der Pritsche gleiten, stelle mich in Tadasana auf, um meinen Stand zu stabilisieren, aktiviere die Bandhas und suche mir über die Balancepunkte der geschlossenen nackten Füße die Energie des Bodens zuzuführen. O.W. steht mir mit auf dem Rücken gefalteten Händen schweigend gegenüber und beobachtet mich in gleichgültig konzentrierter Bereitschaft, wodurch ich leicht ins Wanken gerate.
    »Ganz schön kühl hier unten, was, so an den Füßen?«
    »Ja, Herr Doktor, das liegt daran, dass hier vor allem Lebensmittel gelagert werden, gleich nebenan ist der Lieferanteneingang.«
    »Ah ja, interessant«, ich rotiere den Kopf zur Mobilisation der steifen Nackenwirbelsäule und stelle verwundert fest, dass tatsächlich überall in dieser ohnehin schon viel zu kleinen Notaufnahme ein paar Kisten mit Lebensmitteln gestapelt sind, alles unordentlich und planlos wirkend, als habe man sie in Eile nur kurz abgestellt. »Würden Sie mich bitte nach oben begleiten, O.W.? Ich will schnell nach dem Professor sehen, bevor ich meinen Kontrollgang beginne.«
    »Ich glaube, die Nachtkontrolle erübrigt sich, es ist acht Uhr morgens.«
    »Ach du je, da müsste ich ja längst den heiligen Waschungen beiwohnen! Kommen Sie, helfen Sie mir raus aus dem Loch hier!«
    Referent lässt sich auf Pfleger O.W. gestützt aus der Notaufnahme über den langen, nur von ein paar unangenehm sirrenden Birnen funzelig grell beleuchteten Kellerflur zum Aufzug führen, findet erst im Schutz der gläsernen Kabine in halbwegs gleichmäßige Ujjayi -Atmung, entfacht mittleres inneres Feuer und so kehre ich zu halbwegs zufriedenstellender Gleichgültigkeit äußeren Dingen gegenüber zurück, muss daher auch nicht aufgrund der Enge des Lifts peinlich berührt an O.W. vorbei irgendwohin nach oben starren, als könne der barock gen Himmel gerichtete Blick im Verein mit den personenschützerisch vor dem Geschlecht gefalteten Händen die Auffahrt beschleunigen, nein, ich schaue ebenso ungerührt in O.W.s Augen wie er in meine.
    »Sind wir hier eigentlich sehr tief unten?«
    »Nein, gar nicht, Herr Doktor.«
    »Weil es so lange dauert, für die paar Meter.«
    »Das liegt an dem idiotischen Wärmeleitsystem, und noch dazu ist der Schacht etwas zu eng, und dann scannen sie ja auch jeden, der von unten wieder hochkommt.«
    »Ach so? War jahrelang nicht unten, ich glaube, ich kenne den Keller kaum oder eher gar nicht.«
    »Ah

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