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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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ja?«
    »Und wir sind also nicht tief, nein?«
    »Überhaupt nicht, Herr Doktor, ist ja nur Souterrain.«
    »Kein Keller?«
    »Nein, die Klinik ist doch gar nicht richtig unterkellert, es gibt doch nur dieses Souterrain auf der Hangseite.«
    »Ach so? Warte mal – jetzt tut sich gar nichts mehr, oder?« Und jetzt schaue ich doch unvorteilhaft nach oben, lausche in die eine Ecke, schüttle ungläubig den Kopf, drehe ihn mit einem vogelartigen Ruck in die andere Ecke, lausche wieder und kehre mit meinem blauäugigen Blick zu O.W. zurück, der den seinen freilich nicht vom Fleck gerührt hat, mir aber nun mit einem kleinen Blinzeln aufmunternd zulächelt:
    »Passiert manchmal, dass es nicht weitergeht, Herr Doktor.«
    »Hm, unangenehm.«
    »Ist richtig, aber«, er zieht die Augenbrauen hoch, noch immer lächelnd, »so ist das halt, manchmal geht eben gar nichts, Herr Doktor.«
    »Ja, idiotisch, wir sind doch sicher schon fast oben, oder?«
    »Ja, bestimmt, fehlt höchstens ein Meter, wenn überhaupt.«
    »Also so was Dämliches! Und man sieht nichts, spiegelt bloß, wieso denn … da muss doch … haben Sie schon geklingelt?« Wahllos wische ich über sämtliche Berührungspunkte. »Das ist doch zu blöd!«
    »Das können Sie sich sparen, Dr. von Stern, das dauert so lange wie’s dauert.«
    Er reckt kurz das Kinn und streicht seine Krawatte glatt, lässt dann die Hände wieder in die Kitteltaschen gleiten und wackelt ein paarmal zackig mit seinen breitgestellten Beinen und seinem Hintern wie im Takt irgendeiner Musik in seinem Kopf, steht dann wieder vollkommen still und lächelt mich an. Referent mittlerweile in deutlicher Atemnot, Magenherzspannung, sollte sprechen, um Schwäche zu überwinden.
    »Ihre graue Eminenz lässt sich wohl nicht so leicht aus der Ruhe bringen, was?«
    »Ihre eigentlich auch nicht, Herr Doktor, Sie haben doch eine zähe Rinde, Sie sind nur durch den kleinen Stortexriss noch immer etwas erschüttert.«
    »Sie müssen mir nicht erklären, was mir fehlt, Pfleger.«
    »Entschuldigen Sie, ich wollte nur …«
    »Jaja. Haben Sie eigentlich jemals erwogen, Arzt zu werden, O.W.?«
    »Nein, nie«, er schaut mich verständnislos an. »Wie sollte das gehen? Aber wozu sollte ich auch, man hat nur noch mehr Verantwortung und im Grunde genommen kaum Einfluss. Übrigens sind wir längst oben. Soll ich die Tür öffnen?«
    »Gott ja, worauf warten Sie noch?«
    Luft und Licht, endlich, Referent stürzt in Flurbahn zurück, hastet mit Pfleger O.W. im Windschatten zum Zimmer des Professors, und über meine rechte Schulter rufe ich ihm zu:
    »Ich laufe allein vor, könnten Sie mir meinen Kittel bringen, ich ziehe mich dann beim Professor um, würden Sie das tun, bitte?«
    »Ich tue alles für Sie, Herr Doktor, das wissen Sie doch!«
    Und schon ist er in der Gegenrichtung verschwunden.

15.
    Patient bereits gewaschen, hat sich anscheinend den Hahn selbst zugedreht, was, abgesehen von gestern Morgen, noch nie passiert ist, und steht nun nackt und frierend vor seinem Waschbecken. Schaut den beim Eintreten schwer atmenden Referenten mit üblichem Vorwurfsblick an, daher unklar, ob er sich an den Vorfall von gestern Nacht erinnert.
    »Verzeihen Sie meine Verspätung, Herr Professor«, Referent eilt mit langen Schritten auf ihn zu und reicht ihm ein Handtuch. »Machen Sie schon, Sie werden sich noch erkälten!«
    Aber Patient zuckt nur die Achseln, lässt das Handtuch auf den überschwemmten Boden fallen, sodass Referent ein neues aus dem Regal nimmt und anfängt, ihn abzutrocknen, was Patient widerstandslos geschehen lässt, sobald Referent ihm die Flasche gibt. Träumerisch nuckelnd sieht er durch mich hindurch, aber plötzlich hält er inne und zieht meinen Kopf am Ohr zu sich heran.
    »Sie sind ja unrasiert, Doktor!« Er lässt mich wieder los, tritt einen Schritt zurück und schüttelt entrüstet den Kopf. »Sie sind ja noch im Abendanzug! Sind die Katakomben geöffnet worden, oder was haben Sie alte Ranunkel zu feiern?«
    »Ja, Entschuldigung, ich …«
    Da kommt O.W. ins Bad geschlichen, legt meine Tageskleidung unsicher auf dem Wickeltisch ab, fragt mich wortlos, ob ich noch einen Wunsch habe, und verschwindet auf mein Kopfschütteln hin wieder. Referent zieht sich kommentarlos aus und steigt unter die Dusche, dreht das warme Wasser so voll auf wie möglich, zu müde, um sich Patient zu erklären, der nun verdutzt oder eher verärgert die Glasschiebetür der Duschkabine, die ihm vor der Nase zugezogen wurde,

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