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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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ich’s mir noch mal, vielleicht dann doch lieber morgen nach dem Laufen.«
    »Wie Sie wollen, ansonsten klingeln Sie, und ich schick Ihnen Pfleger Pflüger rüber.«
    »Hm, naja.«
    Sie gibt endlich Ruhe, knöpft in Gedanken versunken ihr Nachthemd zu, löst ihre Haare, die sich wie junge Aale auf ihre Schultern herabschlängeln, und ich bin schon halb aus der Tür, als sie mir träumerisch noch einmal zulächelt:
    »Aber wissen Sie, die schönste Idee, das schönste, gewissermaßen nachhallendste Projekt oder wie das hieß…?«
    »Nachhaltigste?«
    »Ja genau, nachhaltigste Projekt, das waren die Flüge auf die Krim.«
    »Auf die Krim?« Meine Hand zittert ein wenig, als ich den Schlüssel ins Schlüsselloch der noch offenen Tür stecke. »Was für Flüge auf die Krim?«
    »Naja, es waren im Grunde genommen nur ein paar dämliche Billigflüge nachSimferopol inklusiveBusreise nach Jalta für spezielle Kunden und ihre Kinder, aber …«, sie macht eine kurze Pause, hebt den Kopf noch höher und zwinkert mir schläfrig zu, »das hat dann ein Eigenleben entwickelt, von dem wir uns in unserem Büro nie hätten träumen lassen. Dass man die Menschen mit so einer kleinen Sache wirklich glücklich machen und sie verschicken kann, wohin man will …«
    »Gute Nacht, Gnädigste.«
    Sie lächelt mir noch immer zu, während ich die Tür zuziehe und den Schlüssel zweimal umdrehe, obwohl ich weiß, dass er beim zweiten Mal nur noch leerdreht.

13.
    Dabei fällt mir auf, dass ich gar nicht weiß, ob hier alle Schlösser beim zweiten Mal leerdrehen. Das ist doch seltsam, da ja ein nicht unwesentlicher Teil meiner Arbeit darin besteht, Schlösser auf- und zuzuschließen. Ich frage mich, ob nicht alles beim zweiten Mal leerdreht wie dieses Schloss. Etwa meine momentan unzulänglich mobilisierte und stabilisierte Gedankenrotation – dreht sie leer oder dreht sie sich leer? Findet die Drehung in der Leere keinen Halt, kann nirgendwo einrasten, oder liegt im Drehen eine Entleerung, sodass schon nach einer Wendung alle Kerben abgeschliffen sind? Unsinniger Gedanke, verstößt gegen das Ganzheitlichkeitsgesetz, denn Drehung und Gedrehtes sind eins, fertig aus! Und außerdem gibt es niemals eine erste Wendung, jedenfalls keine, die man selbst macht. Aber dennoch finde ich plötzlich keinen Halt mehr in den Wendungen und Windungen. Was, wenn sich diese Sache hier nicht einfach leerdreht oder leer dreht, sondern doch noch in dir einrastet? Du weißt doch: Macht der Postbote eine zweite Runde, dann kannst du dich noch so still in der Zimmerecke verstecken und die Ohren vor seinem Klingeln verschließen, der Brief wird dir doch noch zugestellt.
    Referent muss sich jetzt dringend zur letzten Ordnung rufen, sophistischen oder eher sufistischen Schub unter Kontrolle bringen und sich wieder auf die langen Bahnen der weiten Flure ausrichten. Gehen Sie bitte weiter, immer schön den Flur entlang, es gibt hier nichts zu sehen. Geht doch! Lange Flure sind zwar keine Fluchten, aber immerhin Geraden. Selbst wenn man auf ihnen unbemerkt im Kreis läuft, läuft man nie im Kreis, sondern in Quadraten oder Rechtecken, man kann sich gar nicht in ihnen drehen, kann keinen Drehschwindel oder anderen Sufismus bekommen, denn die geradlinige Wiederholung ist, so steht es schon in Referentenvertrag, keine Zwangshandlung, sondern lediglich eine ganzheitlich vertiefende Verstärkung der eigenen Bahnung.
    Aus den Lautsprechern verströmt eine kleine Nachtmusik die Schlafenszeit und schon kommt mir von der Terrasse der Strom der müden Patientenschäfchen entgegen. Ich lasse mich rückwärts von dem friedlich schläfrigen Gemurmel, aus dem nur vereinzelte Schreiereien störrisch herausragen, den Gang zurück hinabtreiben. Wenn man so rückwärts geht und dabei zuschaut, wie links und rechts vor einem Zimmer um Zimmer wie in einer Lampionkette warm erleuchtet wird, kommt es einem vor, als schöbe man mit seinem Rücken die Dunkelheit weg, schöbe sie dahin, wo sie hingehört, nach draußen in die Nacht, um dem Licht seinen Weg zu bereiten. Aber in Wirklichkeit tut man gar nichts, sobald man rückwärts läuft, und das ist zweifellos schrecklich und doch ungeheuer erleichternd. Referent muss auf der Stelle schädliche Einflüsterungen unterbinden.
    Aber mein Mediator reagiert anscheinend überhaupt nicht mehr auf gefährliche Inhalte, und so laufe ich in plötzlicher Angst vorwärts, gegen die Abendgesellschaft an, rempele hier und da gegen ein armes Schäfchen,

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