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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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ist, sondern sich vorsätzlich hat niedersinken lassen. Die Damen auf der Tribüne waren ja auch ganz hingerissen von seiner Vorstellung, erinnern Sie sich nicht mehr?«
    »Nie im Leben, das bringt selbst Holm nicht fertig!« Missmutig runzelt er die Stirn. »Nein, das glaub ich einfach nicht!«
    »Und er wurde auch nicht diskret vom Platz entfernt, wie Sie sagen, sondern unter dem Beifall der Damen wie ein verblutender Torero oder eher wie der Stier aus der Arena geschleift.«
    »Nein, das habe ich aber ganz anders, nein … da hab ich aber was ganz anderes im Kopf!«
    »Tja, das haben wir hier wohl alle. Schönen Tag noch, Kollege!«

17.
    Eine Sache von gestern Abend will mir nicht aus dem Kopf, aber ich kann mich nicht erinnern, was es ist, ich weiß nur, irgendetwas, das vor dem Anfall des Professors gesagt wurde, wahrscheinlich etwas, das Frau von Hadern beim Essen gesagt hat. Es will mir nicht einfallen, aber auch nicht einfach durch den Rost fallen und klebt deshalb unangenehm in meinem Hippocampus wie ein auf die bestrichene Seite gefallenes Honigbrot – jedenfalls behauptet mein Mediator das. Er säuselt mir einschmeichelnd oder eher einspeichelnd etwas von meinen herausragenden Repräsentationsfähigkeiten und meiner umwerfenden Selbst-Monitoring-Kompetenz vor, und Referent beschließt, ihn einfach zu ignorieren, was ich zwar schon häufiger, Referent aber noch nie getan hat, habe, haben, haben, haben …
    Statt endlich seinen Dienstplan zu konsultieren, lässt Referent sich vom Rechner anzeigen, wo Dr. Holm sich im Moment befindet, schaut sich ein Weilchen auf dem Monitor an, wie Holm gerade am anderen Ende der Station den alten, diszipliniert hustenden Herrn Zimmermann abhorcht und begibt sich dann eilig selbst auf die Szene.
    »Stör ich?« Erst jetzt, schon halb mit der Tür im Raum, klopfe ich an.
    »Nein nein, kommen Sie nur rein, Kollege, wir sind hier gleich fertig.«
    Dr. Holm lächelt einladend von seinem Drehschemel zu mir auf, während er sich zerstreut die Stöpsel des Stethoskopschlauchs aus den Ohren zieht und ihn sich wie einen afrikanischen Ringschmuck um den Hals legt. Zimmermann, der mit nacktem Oberkörper und in seiner taubenblauen Lieblingsturnhose vor ihm auf der Pritsche sitzt, strahlt mich an:
    »Ach, der Herr Dr. von Stern, guten Tag! Sie habe ich aber lange nicht bei mir gesehen!«
    »Ja, das stimmt, sicher über ein Jahr. Wie geht’s Ihnen, Herr Zimmermann?«
    »Ach ja, doch doch …«
    »Schön, das freut mich!«
    »Ich unterhalte mich in letzter Zeit ja wieder öfter mal mit Ihrem Lieblingspatienten.«
    »Mit dem Professor?«
    »Ja genau, wir halten ab und an ein Schwätzchen beim Nachmittagskaffee. Er weiß immer so interessante Dinge zu sagen, er ist ja ein wahrhaft gelehrter Kopf, etwas wirr mitunter, aber immer interessant, da ist jeder Satz ein … wie soll ich sagen … ich versuche, mir hinterher aufzuschreiben, was er mir erzählt, es entgleitet einem alles so leicht, und …«
    »Aber Herr Zimmermann, Sie wissen doch, dass Ihnen diese Gespräche mit dem Professor nicht guttun, das habe ich Ihnen doch schon früher …«
    »Ach nein, Herr Dr. von Stern, lassen Sie nur, er tut mir im Gegenteil sehr gut, dieser kleine Austausch.«
    »Na schön, wie Sie meinen.«
    Dr. Holm rollt derweil geschmeidig auf seinem Schemel zwischen Patient und Schreibtisch hin und her, zupft jedes Mal im Vorbeifahren mit einer Pinzette ein Hautschüppchen von Zimmermanns Oberkörper, legt es auf das leuchtende Trägerplättchen des kleinen Plasmoscanners auf dem Schreibtisch, beugt sich kurz darüber und betrachtet es und dreht sich dann auf dem Weg zu seinem Patienten zurück elegant einmal im Uhrzeigersinn, dem Schwung seines seitengescheitelten Haars folgend, so wie wir es hier alle praktizieren. Manchmal absolviere auch ich die gesamte Visite auf dem Drehschemel, durchstreife auf den leise surrenden Gummirollen alle Flure, meine Schwestern und Pfleger hinter mir her trippelnd, und am Ende der Eskorte marschieren die diensthabenden Zivilisten mit Ambitionen zu Höherem und Apparaten zu Niederem. Doch der unangefochtene König auch des Drehparketts ist freilich Dr. Holm, gestützt von seiner vorbildlichen Beckenboden- und Bauchmuskulatur schafft sein Hüftschwung auch die doppelte, die gegenläufige Rotation von Sitzfläche und Rollen mühelos, und seine nackten Füße berühren den Boden kaum je. Während er nun wieder in meine und Zimmermanns Richtung geschwebt kommt, murmelt

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