Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

angenehm leichte Wärmestrahlung und öffnet sie auch dann nicht, als ihm die Decke weggezogen wird und Dankevicz und eine zweite Person, vermutlich der Wachpfleger, ihn zur Vorbereitung der Schlafzeremonie entkleiden und ihm in routinierter Synchronizität geschwind jeweils eine Körperseite von Kopf bis Fuß verkabeln. Technisch gesehen sind Elektrodenpflästerchen und Kabelfäden reiner Schmuck, ein bloßes Bild für die Götter, denn für die Übertragung sind sie vollkommen überflüssig, schließlich verzichtet der Teilchenscanner diskret auf jeden Körperkontakt, wenn er sich zaghaft zitternd über einem ausspreizt. Doch angeblich intensiviert das rituelle Übersäen des Körpers mit altem symbolischem Fließmaterial die ganzheitlich reinigende Öffnung des Patienten und dynamisiert sein Prana kontinuierlich hochtonisch, was wiederum die Detailschärfe des gewonnenen Körperbilds erhöht. Der positive Effekt des Fadengewirrs, in das die Schlafprobanden aufwändig verstrickt werden, ist also keineswegs bloß der eines Placebos, das wider besseres, fortgeschritteneres Wissen wirkt, sondern vielmehr der eines Wissens, das so fortgeschritten ist, dass es nicht mehr bloß nach vorn schreitet, sondern durch die Räume aller Zeiten wandelt, die peinliche Beschränkung linearen Fortschritts hinter sich lassend, um sich in einer yogischen Raumzeit selbst zu entkernen und optional zu dimensionalisieren. Dafür braucht es freilich keine Kabel mehr und braucht es sie doch, braucht sie als Nabelschnüre in einen endlich vollkommenen Körper hinein und hinaus, ein, aus, ein, aus, ein, aus …
    »Ja, so ist’s gut, von Stern, schön ruhig atmen.«
    Noch immer lässt Referent die Augen zu, nun aber schon nicht mehr, um sie vor Dankevicz und seinen Manipulationen zu verschließen, sondern in zutraulicher Entspannung. Prana strömt wohltuend gleichgültig, der Wachpfleger brummt leise und gedehnt das obligate deine Augen sind zwei weiche weiße Kissen, tief sinken sie in deinen Schädel ein , Referent verspürt eine angenehm entfernte kleine Übelkeit oder eher die angenehme Übelkeit einer kleinen Entfernung von sich selbst, ein Zug nach nirgendwo, und jetzt könnte ich fast … sogar … vielleicht … sogar … Aber erschrocken zucke ich zusammen und reiße die Augen wieder auf, weil Dankevicz mir völlig unerwartet den breiten Silberlatexring an den Penis gesteckt hat. Schwindelnd stütze ich mich auf die Ellbogen, hebe den Kopf und starre verdutzt auf mein verziertes Genital:
    »Phallographie? Wozu denn das?«
    »Na«, Dankevicz sieht nicht zu mir hoch, murmelt nur undeutlich, während er geschäftig fortfährt, mich an den Phallographen anzuschließen, »der Vollständigkeit halber sollten wir doch wohl auch eine NPT machen.«
    »Aber meine penilen Tumeszenzen werden doch sowieso penibel mitgelesen, dafür müssen Sie mich doch nicht an das alte Ding anschließen, also, Dankevicz, bei aller Liebe zur Tradition …!«
    »Naja, wir machen heute Nacht eben mal den ganz großen Bahnhof für Sie, mit allen Schikanen, und gönnen Ihrem Pimmel seine eigene Mitschrift. Sie sollen ja auch nicht leben wie ein Hund. Kleines Phallogrämmchen, haben Sie was, das Sie später mal den Enkeln Ihrer Schwestern zeigen können. Zu viel Druck drauf?«
    »Ja, etwas zu viel.«
    »So, jetzt müsste es aber … Spüren Sie’s noch?«
    »Nein.«
    »Gut, dann ist’s richtig, Sie sollen ja nichts davon merken. Kriege schaffen ohne Waffen, wie’s früher so schön hieß. Apropos …«, er hat endlich von mir abgelassen und sprüht sich eine beleidigend verschwenderische Menge Desinfektionsmittel auf die Hände, trocknet sie dann mit einem karierten Küchenhandtuch und wischt sich dabei das überschüssige Desinfektionsmittel auf die ohnehin immer ölig feucht glänzenden Arme, »haben Sie eigentlich schon mal darüber nachgedacht, von Stern, dass die NPT und der NPT die gleichen Initialen haben, seltsamer Zufall, wie?«
    »Äh … was?«
    Er strahlt mich etwas zu liebenswürdig an, sodass ich wieder die Augen zusammenkneifen muss, und wirft das Handtuch übers Bett hinweg seinem Wachpfleger zu:
    »Verzeihen Sie, von Sternchen, ich rede etwas wirr, vergesse manchmal, dass nicht alle Leute Gedanken lesen können, würde einiges erleichtern – oder auch nicht. Na, ich meine, dass die NPT, also die Nächtliche Penile Tumeszenzmessung, und der NPT, also der Non-Proliferation-Treaty, die gleichen Initialen haben.«
    »Nein, darüber habe ich noch nie