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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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jetzt .«
    Sie lachte fröhlich, aber ich blieb ernst:
    »Aber du weißt schon, dass Augustinus dieser Kampf seines inneren Hauses, den er in seiner geheimsten Kammer so heftig wider seine Seele heraufbeschworen hatte, teuer zu stehen gekommen ist – deshalb hatte ich Streit mit mir und spaltete mich von mir. «
    Sie ruckelte verstimmt mit den Schultern und versuchte ihre Hand aus meiner zu ziehen, aber ich hielt sie fest und setzte mich ganz auf, um sicherer zu sprechen:
    »Im Ernst, ich sollte nicht hier sein, Esther, du könntest große Schwierigkeiten bekommen.«
    Sie senkte den Kopf und murmelte:
    »Nicht so große wie du, im Gegensatz zu uns habt ihr ja wirklich ein Gelübde leisten müssen.«
    »Was? Wovon redest du?«
    »Na, eure Hygienesatzung zur Bekämpfung der klebrigen Libido: Eine Trägheit, Schwerbeweglichkeit der Libido, die ihre Fixierungen nicht verlassen will, kann uns nicht willkommen sein. «
    »Gott, du bist wirklich hoch auflösend!« Ich lachte erleichtert auf. »Hast du mich erschreckt! Diese Sprüche über die Tiefenreinigung von allen Libidoresten, die irgendwo in einem hängen bleiben und sich dort verkrusten können, sind doch nur so ein bildgebendes Verfahren, um sein Prana besser ein- und ausströmen und im Körper zirkulieren zu lassen, und außerdem gilt das Hygienegebot sowieso nur, solange man noch studiert, und da ich fast …«
    »Aber eben nur fast! Du bist derjenige, der Streit mit sich selbst bekommen wird! Hast ihn ja jetzt schon, sonst müsstest du nicht nach Sewastopol fahren und dich dort gründlich von mir reinigen lassen, bevor du Dr. Karg wieder unter die Augen trittst!«
    »N-nein, so war’s nicht, ich war bei Dr. Karg, bevor ich nach Sewastopol gefahren bin, aber …«, mir schwindelte, und ich lehnte meinen jetzt wieder sehr schweren Kopf an die unbequem geriffelte Wand, »woher weißt du überhaupt davon?«
    »Einer deiner freundlichen Freunde hat mir eine freundliche Note zukommen lassen. Und jetzt wirst du mir sagen, dass es keine Bedeutung hat und –«
    »Hat es auch nicht!«
    »Ja, das glaube ich dir sogar, und eben das macht mir Angst!« Sie sprang auf, lief vor dem Bett jeweils zwei Schritte hin und her, und erst dadurch bemerkte ich, dass das nur schwach von einer Nachttischlampe erleuchtete Zimmer eigentlich kein Zimmer war, sondern bloß eine fensterlose Kammer, deren holzvertäfelte Wände schwarz gebeizt waren. »Nein, Franz, das ist alles ungut, ich will das alles nicht, ich würde unser Verhältnis gern –«
    »… auf ausschließlich äußerliche Anwendungen beschränken? Auf äußerste Äußerlichkeit?«
    »Ja vielleicht, zumindest will ich dahin zurückkehren, meine Selbstdesinfizierung aufs Äußerliche zu beschränken. Gründliche Reinigung der Oberflächen oder …«
    »… oder doch aufs Äußerste gehen? Willst du nicht vielmehr das?«
    »Nein. Und du wirst noch mal an einem deiner Wortspiele ersticken oder an deiner Erotomanie, was vielleicht dasselbe ist.«
    »Die ich beide nur dir zu verdanken habe. Aber es gibt schlechtere Manien, glaubst du nicht?«
    Sie lachte kurz auf, blieb dann aber abrupt stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und begann wie ein panischer Automat aus den Liwadija-Einschreibungspapieren zu zitieren: »Eine klebrige Libido, die sich nicht mehr vom Fleck bewegen kann, können wir nicht begrüßen, läuft man doch derartig fixiert Gefahr, sich ein zu dieser Fixierung passendes Innenleben zu erfinden, man verstrickt sich in gefährliche Konfabulationen, schwelgt in Phantasien von den schrecklichen Veränderungen in seinem Inneren, mit denen man seinen Roman verhüllt, und untergräbt folglich sein selbstmonitorisches Vermögen und seine endoklinischen Kompetenzen, verfehlt sich daher mit jedem Blick, erweist sich schließlich als hoffnungslos unzugänglich für jede salutologische Autokorrektur und …«
    »Jaja, halt den Mund jetzt, ich hab’s verstanden, komm lieber her!«
    »… ist am Ende ganz durch die eigenen Augen vernichtet.«
    »Ja. Wir wollen heiraten, Esther, ja? Wir wollen heiraten, bevor wir gestorben sind! Heirate mich, Esther!«
    »Hab keine Angst, das ist nur das Fieber, du musst bloß wieder schlafen.«
    »Ich hab keine Angst, ich werde noch heute eine Sondergenehmigung beantragen.«
    »Sei still jetzt!«
    »Leg dich zu mir, bitte! Du musst mich heiraten, bitte Esther, du musst, du musst!«
    »Schlaf!«
    Erst an der Kühle ihrer Arme spürte ich mein Fieber und erschauernd ließ ich mich in die

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