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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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Laune – Sommer ist Sommer, es kommt wie es kommt –, nur für Erwachsene, die mit jedem Regentag schon schwer auf der Kippe stehen, immer gleich ein Zeichen für irgendwas.
    »Sie müssen sich schon entscheiden, Satanssonde!«
    »Was?«
    Ich fahre herum, aber der Professor sieht mich gar nicht an. Evelyn und er kehren mir den Rücken zu und einträchtig nuckelnd sitzen sie nebeneinander im Gras unter der Eiche. Ich setze mich neben den Professor, aber noch immer halten beide stoisch an ihrem Flaschenprofil fest und verfolgen gebannt das bewegungslose Schauspiel des Spitzenamnestikers. Achselzuckend reihe ich mich ein, hefte meinen Blick dem Rosenmann an, und da beginnt der Professor leise wieder zu sprechen:
    »Wollen Sie nun wachen oder schlafen, Doktor, das ist hier die Frage!«
    »Na, das ist eine äußerst dumme Frage für einen Mann Ihrer Intelligenz, Professor.«
    »Ja, da haben Sie ausnahmsweise recht, aber zugleich ist diese dumme Frage dieses eine Mal ausnahmsweise berechtigt und also keine dumme, sondern eine tatsächliche Frage, auf die Sie zu antworten haben.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Sie müssen sich entscheiden, Doktor«, er dreht mir langsam den Kopf zu, sein Gesicht hat plötzlich alle Verrücktheit verloren und scheint derart geradegerückt unkenntlich wie ein Phantombild. »Sie haben sich zu entscheiden!«
    »Das kann ich nicht, es liegt nicht in meiner …«
    »Oh doch, auch Dinge, die nicht in der eigenen Macht liegen, hat man zu entscheiden, wahrscheinlich sogar ausschließlich die. Ich will Ihnen was zeigen.«
    Aus der Innentasche seines Sakkos zieht er einen fettglänzenden, kleinen Papierklumpen und beginnt dann umständlich, ihn auseinanderzufalten, bis ein großer, hauchdünner Pergamentbogen auf der Wiese ausgebreitet liegt.
    »Das hier ist etwas, das niemand besitzen kann, etwas, das es gar nicht gibt«, behutsam streicht er das Pergament glatt. »Und doch ist es in meinem Besitz.«
    Stolz wirft er den Kopf in den Nacken und in seinen Zügen legt der Wahn wieder seinen Koffer ins Gepäcknetz, setzt sich gemütlich in jede Ecke, schlägt sämtliche Beine übereinander und sieht lächelnd aus den Fenstern zu mir hinaus. Als Evelyn die Hand ausstreckt, um den Bogen zu berühren, bekommt er blitzschnell einen Schlag auf die Finger, bewahrt mich so peinlich vor dem gleichen Fehler, und so beuge ich nur zaghaft den Kopf über das Papier und studiere ratlos die kleinteilige, blassblaue Zeichnung.
    »Was ist das?«
    »Sie erkennen es noch nicht mal, Sie elendes Aas, wie?«
    »N-nein.«
    »Das, mein lieber Herr Doktor Obermaus …«, er macht eine viel zu lange Kunstpause, bläht sich noch einmal auf und hebt zitternd den Zeigefinger, sodass Evelyn gelangweilt die Augen verdreht. »Das ist ein Plan der Klinik.«
    »Wie bitte?«
    »Jawohl, ein Plan der Klinik, der gesamten Klinik, aller drei Stationen.«
    Evelyn fällt die Flasche aus dem Mund:
    »Es gibt drei Stationen?«
    Ich fahre die Zeichnung mit den Augen noch einmal genauer ab, ein paar Kreise und Halbmonde, vor allem aber jede Menge gleichgroßer Quadrate, in durchgezogenen und gestrichelten Linien stupide aneinandergereiht, wie in einer Maltherapie unter zu großzügiger Medikation. Nur an einigen wenigen Stellen kreuzen und überlagern sich die Linien in einem mühsam simulierten Kreativitätsausbruch. Referent wird die Sache entschieden zu dumm:
    »Ein Schnittmuster! Sehr komisch, Professor! Noch dazu ein Schnittmuster für ein äußerst albernes, besoffenes Schachbrettkleid!«
    »Wie Sie wollen, Tortenheber«, beleidigt faltet er den Plan wieder zusammen. »Aber das werden Sie noch bereuen! Ich sag’s Ihnen, wenn Sie es heute Nacht nicht wagen, ist es zu spät, zu spät für uns alle. Diese verrottete alte Schlampe weiß längst Bescheid, das dürfte selbst Ihnen langsam aufgegangen sein, Dänemark hat Kontakte nach unten oder nach oben, was weiß ich, ich bin ohnehin bald reif für das Belohnungszentrum, und das Jungchen hier …«
    »Jetzt ist gut, Professor«, ich halte seine zitternden Schultern fest, »beruhigen Sie sich!«
    » Was ist mit mir?« Evelyn zerrt den Professor ängstlich am Ärmel. »Was wolltest du gerade sagen?«
    »Nichts, Jungchen, der saubere Herr Doktor verbietet uns ja den Mund, und –«
    »Genug für heute, Professor«, Referent erhebt mich in äußerster Ruhe. »So vergnüglich sie auch sind, ich habe jetzt keine Zeit für unsere Späßchen, ich muss in den Pranayamaraum, wo meine Patientin sicher

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