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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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Dankeviczs Büro hindurch, vorbei an dem erstaunten Wachpfleger vor der Tür rennt Referent standesungemäß über die Flure in Richtung Südosten, vorbei an den staunenden Schwestern bis zum Pranayamaraum, reißt die Tür auf und ruft atemlos:
    »So, dann wollen wir’s hinter uns bringen!«

37.
    Patientin fährt erschrocken zusammen, schwankt kurz, steht dann aber wieder wie ein Stock in der Mitte des kleinen runden Raums, dreht sich schließlich steif zu mir um, zuerst die Füße und zuletzt Schultern und Kopf, lässt dabei ihre Arme leblos neben dem Körper hängen, statt sich wenigstens mit ihnen zu bedecken. Referent stammelt panisch:
    »Warum sind Sie nackt?«
    »Die Schwester hat mir meine Kleidung abgenommen«, sie spricht lahm und schaut apathisch durch Referent hindurch. »Sie sagte, ich könne in ihr nicht atmen und ich sei ja schließlich zum Atmen hier.« »Ja, natürlich«, Referent geht hastig auf sie zu, schaut dabei zu Boden und zieht seinen Kittel aus. »Hier, ziehen Sie das solange … warten Sie, nehmen Sie meinen Gürtel … ja, so ist es fast wie ein Kleid … gut so?«
    »Die Schwester hat gesagt, sie würde mir gleich Behandlungskleidung bringen, aber sie ist nicht zurückgekommen, ich stehe hier seit einer Stunde nackt in diesem leeren Glasraum und die ganze Zeit laufen da draußen Leute vorbei und glotzen mich an.«
    »Das tut mir leid, wirklich leid, das sollte nicht passieren.«
    »Nein, sollte es wohl nicht«, sie spricht noch immer etwas schleppend, aber ihr apathisches Lächeln geht langsam in ein müde sarkastisches über. »Und ist das normal, dass die Schwester einem vor der Behandlung alle Körperöffnungen durchsucht?«
    »Äh … was? Nein, natürlich nicht, um Gottes willen, das tut mir wirklich …, ich werde mich gleich darum …«
    »Sind das verschärfte Sicherheitsmaßnahmen, weil ich von unten komme und es dort gestern – ?«
    »Nein, nein, nein, wir haben gar keine derartigen Anweisungen …, ich kann mir das überhaupt nicht erklären.«
    »Na schön«, Patientin zieht Stoffgürtel noch enger um sich. »Können wir dann endlich anfangen, Herr Doktor, ich will ja schließlich nicht auch noch hier die Nacht verbringen.«
    »Nein, das wollen Sie nicht. Kommen Sie, setzen wir uns, ja, auf die Matte da, wir beginnen im Lotussitz oder im Schneidersitz, wenn Ihnen das bequemer ist. Das bisschen Sitzfleisch von den Knochen nach außen ziehen, sodass Sie direkt auf den Sitzhöckern …, gut so. Wir wollen heute gemeinsam in ein paar Rückbeugen gehen und in einige Hüftöffner. Sie wissen, dass Hüftöffner hervorragende Emotionslöser sind?«
    »Nein.«
    »Doch doch, in den Hüftknochen sitzen ja viele höherstufige Emotionen, also im Projektionsraum zwischen Hüftknochen und limbischem System, und die Hüfte zu öffnen hilft dabei, einem anderen zu vergeben. Ist ja sowieso alles vorbei, da könnte man es doch wagen. Wäre es nicht schön, zu vergeben?«
    »Nein.«
    »Gut, geben Sie mir Ihre Hände! Krone strebt zum Himmel, Brustbein schmilzt, Rippen schmelzen, und wir atmen zunächst tief über meinen linken Sitzhöcker in Ihr rechtes Schlüsselbein ein, und …«
    »… und in Ihrem Kittel soll ich jetzt besser atmen können als in meinen eigenen Kleidern, ja?«
    »Es ist doch ein sehr schöner Kittel, finden Sie nicht? Schon mal so was getragen?«
    Ich grinse sie breit an, und sie lacht kopfschüttelnd und durch die Nase schnaubend, versucht halbherzig ihre Hände aus meinen zu ziehen und schaut dabei nach draußen, wo gerade wieder eine Patientengruppe vorbeikommt. Sie haben die zweite Laufkur hinter sich, halten die Enden ihrer locker, wie ein weiches Joch um den Nacken gelegten weißen Handtücher lässig fest und schlendern plaudernd in ihre Bäder.
    »Sagen Sie mir gar nicht, was bei meiner Untersuchung rausgekommen ist, Herr Doktor?«
    »Ach, wollen Sie das wirklich wissen? Auf die Diagnose kommt’s doch nicht weiter an, Hauptsache, wir haben die Behandlungsmodalitäten geklärt, oder? Und dazu haben wir ja vorgestern – ja, tatsächlich erst zwei Tage her, dass Sie hier waren, scheint mir wie eine kleine Ewigkeit – diesen schönen Vertrag gemacht. Sie erinnern sich? Sie erzählen mir alles, was Sie über sich wissen, spielen oder spiegeln Sie es mir vor, wie Sie wollen. Sie agieren, ich übernehme treuhänderisch Ihre Geschichte, wir atmen zusammen, wir laufen zusammen, und so werden Sie schon zurück zur vollen Gesundheitseinsicht gelangen.«
    »Könnten Sie

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