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Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition)

Titel: Heimlich, heimlich mich vergiss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Meier
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längst auf mich wartet und …«
    »Die Ambulante, ja? Dann sehen Sie zu, dass Sie wenigstens dieses eine Mal nicht die Hosen runterlassen, Sie Flexigym, Sie verfluchte!«
    »Jaja. Können wir dann, bitte?«
    »Geh nur, Papa, ich bringe ihn gleich rein, du kannst dich auf mich verlassen.«
    »Wirklich?«
    »Natürlich, geh nur. Wir bleiben hier noch ein Sekündchen sitzen und schauen dem Rosenschnüffler zu, und dann gehen wir auch, nicht, Opa?«
    »So machen wir’s, Jungchen.«
    »Hören Sie, Professor, Sie sollen dem Jungen nicht immer erlauben, Sie Opa zu nennen, das ist nicht gut für ihn und für Sie auch nicht und für …«
    »Nun geh schon endlich, mein Junge.«
    Wortlos drehe ich mich um, und meine Beine tragen mich davon. Dass Referent Patienten tatsächlich schutzlos sich selbst überlässt, ist mir so unbegreiflich, dass ich es nicht glauben und daher auch nicht ändern kann. Ich übertünche die Angelegenheit daher mit dem reflexartigen Gedanken, dass alles so viel leichter wäre, wenn Patienten besser eingestellt wären, auch einen Mediator, auch einen Stortex hätten, und dass es doch eine große Belastung ist, dass wir Ärzte allein richtig und falsch unterscheiden können.
    Referent schaut auf die Uhr, schon halb vier, Patientin müsste seit einer halben Stunde im Pranayamaraum warten, bewege mich trotzdem nicht auf direktem Weg dorthin, sondern hetze ums Haus herum, um vorher noch schnell meine Bilder, die ich bei Dankevicz auf der Terrasse liegengelassen habe, an mich zu bringen, was mir aus irgendeinem Grund unerlässlich scheint, um Behandlung der Ambulanten zu überstehen.
    Die Terrasse ist leer, die Glasfront noch immer aufgeschoben, ich spähe kurz in Dankeviczs Büro, vom Überflieger zum Glück keine Spur, hat sich anscheinend schon wieder in seine Schattenwelt davongestohlen. Ich bücke mich zwischen den Liegestühlen zu meinen Bildern, stelle aber mit Schrecken fest, dass von dem Stapel nur noch eine dünne Schicht da ist. Mit der Kittelschürze wische ich mir die Stirn, hebe auf, was von mir übrig ist, halte den kümmerlichen Rest ratlos in den ausgestreckten Armen wie eine dämliche Bürokraft, die immer noch nicht weiß, in welche Ablage die Post gehört, und starre auf das oberste Blatt, das sich auch schon zur Hälfte vom Block gelöst hat und sich nun gegen den Wind wölbt wie ein ungeduldiges Segel. Referent kann unmöglich von mir verlangen, in diesem gerupften Zustand eine derart schwierige Aufgabe … Es ist nur natürlich, Angst zu haben vor jemandem, der nicht das Herz hatte, es zu verlieren, es noch immer hochfahrend so weit oben zwischen den Rippen trägt, dass er oder eher sie keinerlei Verständnis dafür haben kann, welche Verantwortung ich als Arzt, welche Last auf meinen …
    »Sind das Ihre Scans, Dr. von Stern? Haben Sie die verloren?«
    Es ist Ada, die von der Wiese zu mir heraufschreit und meine Bilder mit beiden Händen über ihrem Kopf schwenkt wie ein Fluglotse seine Fahnen, derweil ihr Zwillingsbruder Ardor die fehlenden, überall auf der Wiese verstreuten, vor seinen stolpernden Füßen über dem Gras noch einmal aufflatternden Ausreißer einfängt. Stumm ergeben schaue ich ihm zu, dann kommen die beiden lächelnd zu mir hinauf, und ebenso lächelnd nehme ich aus ihren kleinen Turnerhänden den Stapel wie einen olympischen Schiedsspruch entgegen.
    »Sind alle da, Dr. von Stern? Haben wir es gut gemacht?«
    »Ja, ihr habt es gut gemacht, wie immer«, ich blättere die Bilder vertrauensvoll flüchtig mit dem Daumen durch, wie ein Geldbündel, das man nicht zu zählen hat. »Alles da. Ich danke euch von ganzem Herzen, Kinder. Dafür gebe ich euch nächste Woche eine doppelte Trainingsstunde am Reck oder auf dem Eis, wie ihr wollt, oder sogar beides.«
    »Sollen wir sie ordnen?« Übereifrig will Ardor mir die Bilder noch einmal aus den Händen ziehen. Wie immer, wenn man die beiden lobt und ihnen eine Belohnung verspricht, will er klarstellen, dass ihre Gefälligkeit keineswegs mit Erreichen der Belohnungsgeraden ins schnöde Ziel gelangt, sondern ihnen vielmehr ein ganz und gar zweckund endloses, eigenes oder eher endlos eigenes Verlangen ist. Auch Ada zerrt nun an dem Stapel und ruft fröhlich: »Wir haben sie noch nicht wieder in die richtige Reihenfolge gebracht!«
    »Das ist lieb von euch, Ada, aber die Reihenfolge ist nicht weiter wichtig, man kann sie lesen, wie man will. Aber jetzt muss ich rennen, ich bin schon viel zu spät, adieu, Kinder!«
    Durch

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