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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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und ein Freizeithemd an und schlenderte durch den sauberen Empfangsraum des Badger Hotels. Der saubere Empfangschef sah mich noch mißtrauisch an, dann ging ich auf die sauberen Straßen von Tunnel City, Wisconsin.
    Tunnel City besaß eine Durchgangs- und Geschäftsstraße, die treffenderweise Main Street hieß. Der Handel spielte sich in Tunnel City ausschließlich auf dieser Straße ab. Die Wohnstraßen der Stadt zogen sich von dieser Achse zum angrenzenden Farmland hin.
    Ich ging südwärts auf die Kohlfelder zu und kam mir verloren vor. Jedes Haus, an dem ich vorbeikam, war weiß und hatte einen perfekt gepflegten Rasen im Vorgarten mit den sauber gestutzten Bäumen und Sträuchern. Jedes Auto in jeder Einfahrt glänzte frisch geputzt. Die Menschen, die auf den Veranden saßen, sahen resolut und stark aus.
    Ich ging so weit, bis das saubere Tunnel City aufhörte und Tunnel Citys ertragreiches Farmland anfing. Auf dem Weg zurück ins Hotel erkannte ich, warum Marcella DeVries hier hatte raus müssen - und warum sie wieder hatte zurückkommen müssen.
    Ich schlenderte gerade auf der Suche nach einer Eßkneipe über die Hauptstraße, als mir ein Mann aus der Richtung des Hotels über die Straße entgegenkam. Er war ein großer Mann in den Vierzigern und hatte Blue Jeans und ein kariertes Hemd an. Etwas war an ihm, und als sich unsere Blicke trafen, wußte ich, daß er reden wollte.
    Als er auf dem Bürgersteig war, versperrte er mir den Weg und streckte mir eine große knochige Hand entgegen. Ich schüttelte sie.
    »Ich bin Will Berglund, Officer«, sagte der Mann.
    »Fred Underhill, Mr. Berglund, und ich bin kein Polizist, ich bin Versicherungsdetektiv.«
    »Mir egal. Ich kannte Marcy DeVries besser als irgend jemand. Ich -« Der Mann war offensichtlich tief bewegt.
    »Wo können wir uns unterhalten, Mr. Berglund?«
    »Mir gehört das Kino hier in der Stadt.« Er zeigte die Hauptstraße hinunter. »Die letzte Vorführung ist um Viertel vor zehn zu Ende. Kommen Sie dann dahin. Wir können in meinem Büro reden.«

    Als ich den Vorraum des Badger Kinos betrat, scheuchte Will Berglund die wenigen übriggebliebenen Kinobesucher zur Tür hinaus, verschloß sie und führte mich wortlos die Treppe hoch in ein Büro, das voller kaputter Kinsosessel und Projektoren stand. »Ich pfusche gern herum«, sagte er als Erklärung.
    Ich nahm ohne Aufforderung Platz, und er setzte sich mir gegenüber. Mein Kopf war voller Fragen, aber ich kam gar nicht zum Fragen - es war nicht nötig. Berglund öffnete alle Fenster im Zimmer und ließ frische Luft rein, dann fing er an zu reden.
    Er redete sieben Stunden lang ohne Unterbrechung. Seine Stimme klang abwechselnd wehleidig und verdrießlich, vor allem aber schicksalsergeben. Es war eine sehr private Geschichte, ein Panorama des Kleinstadtlebens, des Kleinstadtgeredes, der Kleinstadthoffnung und der Kleinstadtvergeltung. Es war die Geschichte von Marcella DeVries.

    Sie hatten sich von Anfang an geliebt, erst geistig, dann körperlich.
    Die Familie Berglund war im selben Jahr aus Norwegen ausgewandert, in dem die Familie DeVries Holland verlassen hatte. Die Beziehungen ihrer Freunde und Verwandten aus der alten Heimat sicherten den zwei Familien Arbeitsplätze in den Viehhöfen Chicagos.
    Es war das Jahr 1906, und es gab reichlich Arbeit. Die kräftigen Berglund-Männer wurden Vorarbeiter, die cleveren Männer der Familie DeVries wurden Buchhalter. Die drei Berglund-Brüder und Piet und Karl DeVries hatten einen Einwanderertraum gemein - den Traum von der Macht der alten Heimat, den Traum vom Land.
    Alle fünf Männer, damals in den Dreißigern, waren ungeduldig. Sie wußten, daß sie die feudale Macht, die sie so heiß ersehnten, nicht durch zermürbendes Betteln würden erlangen können, nicht durch zermürbendes Borgen, Knausern oder durch das Töten von Vieh mit schweren Vorschlaghämmern. Die Zeit war nicht auf ihrer Seite, und die Geschichte auch nicht. Aber sie besaßen Köpfchen und Rücksichtslosigkeit, verbunden mit calvinistischem Eifer, und die fünf Männer starteten eine Karriere des Verbrechens mit nur einem Ziel vor Augen: dem Erwerb von fünfundzwanzigtausend Dollar.
    Es dauerte drei Jahre und kostete zwei Menschenleben, eins aus jeder Familie. Die Berglunds und die DeVries’ wurden Einbrecher und bewaffnete Räuber. Piet DeVries war der anerkannte Anführer und Schatzmeister, Willem Berglund sein Adjutant. Sie planten und hatten die Aufsicht über den ungestümen Karl

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