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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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Säufer und Spieler. Die waren nett zu mir, aber...«
    »Aber was, Mike?«
    Mike schrie: »Die waren nett zu mir, weil sie Marcella ficken wollten!« Er weinte nicht mehr, und der Haß in seinem Gesicht ließ ihn um zehn Jahre altern.
    »Wie hießen die?«
    »Weiß nicht, Onkel Claude, Onkel Schmu, Onkel Ficko, ich weiß es nicht!«
    »Weißt du noch, wo du wohntest?«
    »Ja, ich weiß; 6481, Scenic Avenue. Nähe Franklin und Gower. Dad sagte...«
    »Sagte was, Mike?«
    »Daß ... daß er Marcellas Freunde aufmischen würde. Ich sagte, sie wären nett, aber er wollte es trotzdem. Fred?«
    »Ja?«
    »Dad hat mir gestern abend Geschichten erzählt. Er hat mir die Geschichte von diesem Kerl erzählt, der mal Cop war. Warst du mal Cop?«
    »Ja. Was -«
    »Michael, Fred, wo zum Teufel steckt ihr?« Es war Docs Stimme, und sie war nah. Eine Sekunde später sahen wir ihn. Michael wich von mir, als Doc in Sicht kam.
    Er kam auf uns zu. Als ich sein Gesicht aus der Nähe sah, wußte ich, daß die ganze Vorstellung ein Ende hatte. Sein Ausdruck war eine Maske des Hasses; die harten, schönen Gesichtszüge waren einwärts gezogen und verschmolzen vollkommen in einem Bild der absoluten Kälte.
    »Ich denke, wir sollten nach L.A. zurückfahren«, sagte Doc.

    Keiner sagte ein Wort, als wir über ein Labyrinth von Autobahnen und Asphaltstraßen nach Los Angeles gelangten. Mike saß hinten, Doc vorne neben mir, seine Augen blickten während der ganzen zwei Stunden starr geradeaus.
    Als wir endlich am Haus ankamen, schienen wir alle drei zum ersten Mal Luft zu holen. Da roch ich ihn, einen beißenden, schweißigen Moschusgeruch, der den Wagen auch ohne Verdeck durchdrang: der Geruch der Angst.
    Michael sprang vom Hintersitz aus dem Wagen und rannte wortlos in seinen Hinterhof. Doc wandte sich mir zu: »Und jetzt, Underhill?« sagte er.
    »Ich weiß nicht. Ich mach’ mich ’ne Weile aus dem Staub.«
    »Und dann?«
    »Dann komm’ ich wieder.«
    Harris stieg aus dem Wagen. Er schaute auf mich herunter. Er wollte lächeln, aber ich ließ sein kaltes Gesicht nicht so weit kommen.
    »Harris, wenn Sie dem Jungen etwas zuleide tun, bring’ ich Sie um«, sagte ich, dann fuhr ich los in Richtung Hollywood.

    Scenic Avenue war eine Nebenstraße, ungefähr eine Meile nördlich des Hollywood Boulevard. Nummer 6481 war ein kleines Steinhaus auf der Südseite. Ein kleiner Unkrautgarten war von einem weißen Lattenzaun umgeben. Das Haus war verlassen, wie ich es vorausgesehen hatte; alle Fenster auf der Vorderseite waren eingeschlagen, und die zerbrechliche hölzerne Haustüre war halb eingedrückt.
    Ich ging um die Ecke des Hauses. Der Hinterhof war wie der Vorgarten - derselbe Zaun, dasselbe hohe Unkraut. Ich fand einen Schaltkasten neben dem Zaun, der an einem Telefonmasten angebracht war, keilte ein langes Holzscheit unter das Scharnier und brach den Kasten auf. Fünf Minuten lang spielte ich mit den Schaltern, bis das Dämmerlicht im Inneren von Nr. 6481 einer taghellen Beleuchtung gewichen war.
    Ich ging dreist über die hölzerne Veranda und durch die hintere Türe. Dann ging ich ruhig durch das ganze Haus und kostete jeden Hauch des Bösen aus, das ich dort verspürte.
    Es war ein gewöhnliches Einfamilienhaus ohne jede Möbel, ohne jede Wohnspuren, sogar ohne irgendwelche Penner, die gewöhnlich an solchen Orten wohnten; aber es war erfüllt von einer unbeschreiblichen Aura des Wahnsinns und des Terrors, die jede Wand, jede Bodenplanke und jede Ecke durchdrang, die von Spinngeweben verhangen war.
    Auf dem Eichenholzboden im Schlafzimmer fand ich neben einer umgedrehten Matratze einen großen Fleck aus geronnenem Blut. Es hätte auch etwas anderes sein können, aber ich wußte, was es war. Ich hob die Matratze an einem Ende hoch; auf der Unterseite war sie mit einer bräunlichen Substanz getränkt.
    Ich wußte, daß es Blut war, was ich in der Badewanne, im Wohnzimmerschrank und an den Wänden im Eßzimmer fand. Irgendwie förderte jeder neue Hinweis auf ein Blutbad eine immer tiefere Ruhe in mir. Bis ich in das kleine Zimmer kam, das sich an die Küche anschloß, und das Kinderbettchen sah, seine blutbespritzten Stäbe, seine kleine Matte dick mit Blut überzogen und den Teddybär, der tot obenauflag. Seine Innereien quollen heraus und waren blutgetränkt, mit Blut aus einer anderen Zeit. Einer Zeit, die von mir Besitz ergriff.
    Dann ging ich nach draußen. Ich wußte, daß dies das Land der Toten war, über das Wacky vor so vielen

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