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Heimlich

Heimlich

Titel: Heimlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Ellroy
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wieder kurz lebendig und schüttelte alle Furcht und Müdigkeit ab. »Sie lieben mich einfach, sie können mich nicht in Ruhe lassen. Ich bin ein Virtuose. Ich schnippe nur mit den Fingern. Jeder Barkeeper in Hollywood kennt mich -«
    Dudley unterbrach: »Der Barkeeper im ›Silver Star‹ sagt, du wärst eine Tunte. Er sagt, du haßt Frauen. Du haßt sie, also fickst du sie, damit sie so werden wie du, dann schägst du sie, stimmt’s Eddie? Stimmt’s, Eddie? Stimmt’s, Eddie, stimmt’s? Schwuler Schwanzlutscher Eddie, stimmt’s?«
    Engels warf sich auf Dudley, stieß seinen Stuhl um, sein verwüsteter Körper fiel auf ihn. Breuning und Carlisle schauten einige Sekunden wie gelähmt zu, dann rannten sie hin, packten ihn an Armen und Beinen und drückten ihn gegen die Wand. Engels schrie, als Dick Carlisle ihm beide Fäuste in die Magengrube und in die Rippen hämmerte. Breuning knallte sein Gesicht gegen die Wand, bis Engels ihn in die Hand biß. Breuning schrie auf und wich zurück, und Carlisle :rgriff Engels’ Hals mit seinen Händen und drückte zu. Engels ließ Breunings Hand los und gab nur noch gurgelnde Laute von sich.
    Ich sprang auf, packte Carlisle bei den Schultern und warf ihn rückwärts auf die Matratze. Breuning wollte mit seiner unverletzten Hand auf Engels los, die zerbissene hatte er zwischen seine Beine geklemmt, um den Schmerz zu betäuben. Ich breitete mich über Engels aus, als wollte ich uns beide durch die Wand in eine andere Wirklichkeit drücken. Breuning riß an meinen Schultern.
    Endlich schrie Dudley: »Aufhören, alle aufhören. Hört auf. Hört sofort auf!«
    Breuning ließ mich los. Ich gab Engels frei, der bewußtlos auf den Boden fiel.
    »Du dreckiger Verräter«, zischte Carlisle mich an. Ich ging mit geballten Fäusten auf ihn zu.
    Dudley pflanzte sich vor mir auf. »Nein, mein Junge.«
    Ich plumpste in den Stuhl, auf dem vorher Engels gesessen war. Ich war erschöpft und zitterte von Kopf bis Fuß. Breuning, Carlisle, Dudley und ich starrten uns wüst und wortlos an.
    Schließlich lächelte Dudley. Er zog eine Injektionsnadel und eine kleine Phiole aus seiner Hosentasche. Er führte die Nadel in die Phiole ein und entzog ihr etwas Flüssigkeit. Dann kniete er neben dem bewußtlosen Engel nieder, prüfte seinen Puls, nickte und jagte ihm die Nadel in den Arm. Er leerte die Spritze, dann hob er Engels auf und trug ihn aufs Bett.
    »Er wird schlafen«, sagte Dudley, »er braucht den Schlaf. Ihr auch, Männer. Wir alle. Also ruht euch aus, Jungs. Morgen früh machen wir weiter.«

    So war es. Am nächsten Morgen begannen wir, vom Schlaf gestärkt, um 9.00 Uhr. Dudley hatte mich um 7.30 Uhr geweckt und mir Rasierzeug und ein frisches, kurzärmeliges Hemd präsentiert. Das Ritual des Rasierens und Duschens stellte mich in gewisser Weise wieder her.
    Ich stand immer noch unter dem Schock der Ereignisse. Dudley wußte das und dämpfte meine Angst. »Keine Gewalt mehr, mein Junge. Er kann nicht mehr ertragen. Ich habe Dick Carlisle nach Hause geschickt; er würde sich sonst noch zu etwas hinreißen lassen. Wir machen jetzt auf die ganz sanfte Tour.« Ich konnte nur dumpf nicken. Ich konnte nicht einmal mehr den Schützling des verrückten Iren spielen - er ekelte mich jetzt an.
    Ich ging die Straße hinunter zu einem Stehimbiß, dessen Kundschaft aus fröhlich lärmenden Arbeitern der Flugzeugfabrik bestand. Die grobschlächtige Kameraderie der Männer, die neben mir an der Theke saßen, richtete mich wieder auf. Ich bestellte mir ein großes Frühstück mit Würstchen, Eiern und Kartoffeln. Das Ganze spülte ich mit einigen Litern Kaffee hinunter. Eddie brachte ich drei Portionen pochierter Eier und zwei Schokomilch-Shakes mit. Als ich es ›zum Mitnehmen‹ bestellte, wurde ich traurig und wütend. Wir befanden uns hier nicht mehr im Hoheitsgebiet von Wundern und Gerechtigkeit, wir näherten uns langsam menschlichen Abgründen, die ich gar nicht kennenlernen wollte.
    In der Imbißbude hing ein Telefon an der Wand. Beinahe hätte ich dem Drang, Lorna anzurufen, nachgegeben. Ich wollte aber erst alles hinter mich bringen.
    Als ich in unser Zimmer zurückkam, lag Eddie Engels immer noch bewußtlos auf der schmierigen Matratze, sein Gesicht zuckte sogar im Schlaf vor Angst.
    Dudley, Breuning und ich beobachteten sein Erwachen. Lange Zeit schien er nicht zu wissen, wo er war. Endlich klickte es bei ihm, und als er die Augen auf Dudley richtete, verrenkte er sich wie ein Spastiker. Er

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