Heimliche Sehnsucht: Mittsommergeheimnis (German Edition)
konnte man dann als gerechte Strafe betrachten.
Linnea maß sich nicht an, darüber zu urteilen, inwieweit ein solches Verhalten gut oder schlecht war. Aber wäre Miles in irgendeiner Weise damit geholfen, wenn sie ihm die Wahrheit sagte? Nein, ihm bestimmt nicht, und ihr ebenso wenig. Einzig Kristian würde sich wie der große Gewinner fühlen, dem es gelungen war, sie in einer schwachen Minute zu verführen.
Wollte sie es so weit kommen lassen? Wollte sie den Mann, der die eigentliche Schuld an dem ganzen Dilemma trug, wirklich triumphieren lassen?
Nein, sagte sie zu sich selbst. Das, was zwischen Kristian und ihr heute vorgefallen war, hatte nichts zu bedeuten. Es war besser, diese leidige Angelegenheit ganz schnell zu vergessen. Miles musste nichts davon erfahren. Sie würde die von Kristian geforderten zwei Wochen irgendwie hinter sich bringen, die letzten Formalitäten für die Anerkennung der Trennung erledigen und dann als glücklich geschiedene Frau nach London zurückkehren.
Die Frage war nur, ob sie wirklich mit einer solchen Lüge leben konnte.
Verdammt, was ist denn nur los? Wütend ballte Kristian die Hand zur Faust, als das bereits fast fertig aufgebaute Zeit bei dem Versuch, die letzte noch fehlende Stange in ihre Halterung zu stecken, in sich zusammenfiel.
Er konnte gar nicht zählen, wie oft er in seinem Leben schon in der freien Natur übernachtet hatte. Ein Zelt aufzubauen gehörte zu seinen leichtesten Übungen – nicht jedoch heute.
Doch natürlich war ihm klar, woran das lag – oder besser gesagt an wem.
Linnea.
Obwohl er es nicht wollte, kreisten seine Gedanken unaufhörlich um sie. Und darum, was eben zwischen ihnen vorgefallen war. Immer wieder und wieder sah er vor seinem geistigen Auge, wie sie sich lustvoll aufstöhnend gegen ihn drückte, wie sie die Beine spreizte und …
Aufhören! Auf der Stelle!
Kristian atmete tief durch. Er sollte schleunigst wieder zur Normalität zurückkehren. Dass er mit Linnea geschlafen hatte, bedeutete schließlich keineswegs, dass er noch irgendetwas für sie empfand. Seit der Enttäuschung, die sie ihm vor beinahe genau sechs Jahren bereitet hatte, war er keineswegs ein Kind von Traurigkeit gewesen. Warum auch? Er kam bei den Frauen an, heute noch mehr als früher, weshalb sollte er das nicht ausleben? Schließlich war auch er nur ein Mann, zudem frei und ungebunden. Bloß eines konnte er sich nicht mehr vorstellen: Jemals wieder einer Frau sein Herz zu schenken. Diesen Fehler hatte er einmal gemacht, und nie würde er den Tag vergessen, an dem ihm klar geworden war, dass Linnea nicht die Frau war, für die er sie gehalten hatte. Und dass seine Mutter die ganze Zeit über recht gehabt hatte.
Aber so etwas würde ihm nicht noch einmal passieren, es konnte ihm gar nicht noch einmal passieren, ganz einfach, weil er nie wieder eine Beziehung eingehen würde.
Und deshalb maß er dem, was eben zwischen Linnea und ihm vorgefallen war, auch keinerlei Bedeutung zu.
Dennoch verspürte er aus irgendeinem Grund kein Interesse daran, die Nacht mit Linnea in diesem engen Zelt zu verbringen, das er im Moment ohnehin nicht aufgebaut bekam. Er wusste nicht, woran es genau lag, aber plötzlich verspürte er den Drang, etwas Distanz zwischen sich und seiner Noch-Ehefrau zu bringen. Das wirbelte zwar seine Pläne etwas durcheinander, aber ein wirkliches Problem würde sich daraus nicht ergeben. Die Kampagne war angelaufen, und Johan hatte sicher bereits erste Fotos gemacht. Heute Nacht wäre ohnehin nichts mehr passiert, und morgen konnten sie ebenso gut auch ein anderes Ziel ansteuern. Das würde sogar für noch mehr Abwechslung sorgen.
Etwa zur selben Zeit saß Annika Västarsand am Esstisch in der alten Mühle und starrte gedankenverloren auf ein kleines schwarzes Buch, das neben dem Telefon auf der Tischplatte lag. Sollte sie es wirklich tun?
Schon den ganzen Tag quälte sie sich mit dieser Frage herum. Sie wusste genau, dass Kristian es missbilligen würde, wenn sie sich in seine Angelegenheiten einmischte. Auf der anderen Seite konnte sie ihren einzigen Sohn doch nicht einfach blindlings in sein Verderben laufen lassen!
Und das würde er, dessen war sie sich sicher. Die Tatsache, dass er Linnea mit auf seinen mehrtägigen Ausflug genommen hatte, zeigte ihr dies deutlich.
Annika atmete tief durch. Linnea hatte behauptet, es ginge ihr um die Scheidung von Kristian, aber das war nur ein Vorwand. Annika wusste, welches Ziel sie in Wahrheit verfolgte: Sie
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