Heimliche Sehnsucht: Mittsommergeheimnis (German Edition)
erklang Annikas Stimme von der Tür her. “Stell dir vor, Kristian, während ihr unterwegs wart, ist Besuch für dich gekommen!”
Linnea und Kristian sahen zu ihr hinüber. Linnea stockte fast der Atem, als sie die Frau erkannte, die in dem Moment hinter Kristians Mutter aus dem Gebäude trat.
“Ina!”, stieß sie schockiert aus.
8. KAPITEL
L innea fühlte sich, als hätte man ihr mit einem Ruck den Boden unter den Füßen weggerissen. Ina nach all den Jahren wiederzusehen traf sie tiefer, als sie je für möglich gehalten hätte.
Kristian ergriff ihre Hand. “Linnea, was ist denn …?”
Doch sie wollte weder seine Erklärungen noch seine Ausflüchte hören. “Lass mich in Ruhe!”, fuhr sie ihn an, riss sich von ihm los und stürmte davon. Tränen verschleierten ihren Blick, sodass sie Mühe hatte, den Weg vor ihren Füßen zu erkennen. Sie wollte weg, einfach nur weg. Doch irgendwann konnte sie nicht mehr weiter. Ihre Lungen brannten wie Feuer, und glühende Pfeile schienen sich in ihre Seiten zu bohren.
Schwer atmend lehnte sie sich gegen einen Baumstamm und stemmte die Hände in die Hüften. Sie schloss die Augen und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Doch es half nicht.
Ina …
Die Gegenwart schien mit der Vergangenheit zu verschmelzen. Linnea fühlte sich zurückversetzt in jene Nacht vor etwas weniger als sechs Jahren. Jene Nacht, die das Ende ihrer Beziehung zu Kristian bedeutet hatte. Sie war so verzweifelt gewesen nach dem Streit mit Ludvig, dass sie nur noch einen Wunsch hatte: zu dem Mann zu gehen, den sie liebte. Und den sie erst kürzlich heimlich geheiratet hatte.
Zu Kristian.
Doch dann erreichte sie das Haus seiner Eltern und sah ihn zusammen mit Ina, wie sie sich eng umschlungen küssten. Ihr eigener Ehemann mit seiner Ex – ein Anblick, den Linnea fortan nie mehr vergessen sollte.
Eine Welt war für sie zusammengebrochen.
Ihre
Welt. Sie hatte Kristian vertraut, ihn geliebt. Sie hätte alles für ihn getan – doch nie wäre sie auf den Gedanken gekommen, dass er sie betrog. Damals war sie einfach davongelaufen. So wie jetzt gerade, als sie Ina wiedergesehen hatte.
Dieses Wiedersehen ließ erneut alles in Linnea hochkochen. Nach fast sechs Jahren! Sie spürte den Schmerz genau wie damals. Es fühlte sich an, als hätte man ihr bei lebendigem Leib das Herz herausgerissen.
Jetzt war Ina also wieder da. Oder war sie vielleicht gar nicht fort gewesen? Linnea dachte darüber nach. Sie hatte während der ganzen Zeit immer mal wieder sehr sporadischen Kontakt mit Finja gehabt. Die lebte zwar erst seit Kurzem wieder in Schweden, war aber schon früher ab und zu nach Stockholm gekommen, wo sie eine Zweitwohnung besaß, um sich dann immer mit alten Freunden und Bekannten zu treffen. Sie hätte sicher gewusst, wie es zwischen Kristian und Ina weitergegangen war, doch Linnea hatte ihr damals klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass sie niemals wieder irgendetwas hören wollte, was Kristian auch nur im Geringsten betraf. Und daran hatte ihre alte Freundin sich gehalten.
Obwohl Linnea immer noch außer Atem war, lief sie jetzt doch weiter. Sie wollte so viel Distanz wie möglich zwischen sich und Kristian bringen und einfach nur noch allein sein. Und deshalb lief sie und lief und lief …
Als sie das nächste Mal stehen blieb, keuchend und schweißgebadet und mit stechenden Seitenschmerzen, erkannte sie verblüfft, dass sie das Haus ihrer Mutter erreicht hatte. Sie schüttelte den Kopf. Seltsam, dass sie ausgerechnet diesen Weg eingeschlagen hatte. Oder hatte gar ihr Unterbewusstsein sie hierhergeführt? Nicht zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Schweden schien sich die Vergangenheit mit der Gegenwart zu vermischen, und sie sah sich selbst als kleines Mädchen, das weinend und laut “
Mamma”
rufend auf dieses Haus zulief. Wie oft hatte es sich so abgespielt? Wenn sie beim Spielen gefallen und sich böse die Knie aufgeschürft hatte, wenn sie in der Schule mal wieder von einem der älteren Jungen geärgert worden war oder eine schlechte Mathearbeit nach Hause bringen musste oder damals, als ihr nagelneues kirschrotes Fahrrad gestohlen worden war.
Linnea blieb einen Moment vor dem Haus stehen, um sich auszuruhen. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sich inzwischen dicke graue Wolken vor die Frühlingssonne geschoben hatten und alles nun recht düster wirkte. Beinahe automatisch glitt ihr Blick hinüber zum
Trollfjällen
, und Linnea erstarrte, als sie dort oben, auf dem
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