Heimspiel
gehe. Ansonsten steht die Mediennation auf und applaudiert dem Kaiser.«
Die CSU habe den Musiker Leslie Mandoki beauftragt, eine Beckenbauer-Hymne zu komponieren. Der wird innerhalb von 24 Stunden fertig und erklärt übernächtigt im Frühstücksfernsehen von ProSieben den Titel seines Songs: »Wir sind alle Franziskaner!«
Der Generalsekretär berichtet, dass die Deutschland-Pins vom DFB in Auftrag gegeben seien.
»Mit einer diskreten Bedingung allerdings«, sagt er und will die kurze Pause der Wissenheit genießen, doch prompt fällt ihm die Kanzlerin ins Wort:
»Der DFB wünscht sich ein Festessen im Kanzleramt. Warum nicht?«
»Sie sollten den Pin schon bei der Vorstellungsrede tragen, wir werden die Bild -Zeitung fragen, ob sie die Button-Aktion unterstützt. Es geht schließlich um Deutschland«, interveniert der Regierungssprecher.
»Wer schreibt eigentlich meine Rede?«, fragt die Kanzlerin.
»Wir geben das nach draußen. Wir brauchen was Gefühliges und dachten an …«
»Unseren Biografen?«
»Genau, der kann triefen, ohne dass es peinlich wird. Und er ist schnell. Der Text kommt heute Mittag, morgen müssen wir ja alle nach München.«
»Wenn sie den Raum betritt, dann kommt nur sie. Das Charisma, die Macht, die Wucht, Berlin bleiben draußen vor der Tür. Ihre Präsenz ist pur«, so beginnt das Psychogramm des Kanzlerinnen-Biografen. Rechtzeitig zur Wahl wird sein neues Buch auf den Markt kommen, das öffentliche Bild der eisernen Regentin soll ein wenig weichgezeichnet werden. Der Biograf ist Spezialist für die Überhöhungen des Banalen. Den Auftrag für die Beckenbauer-Nominierungsrede hat er herzlich gern übernommen, die Biografie unterbrochen und eine Nachtschicht eingelegt.
»Er ist ein großer Deutscher«, hebt der Redetext an. »Er ist unser Kaiser der Herzen – für immer!« ist der letzte Satz. Der Biograf schlägt den Bogen vom Bayern zum Europäer, die Passage über das Jahr 1990 und die Weltmeisterschaft wird mit fantasievoll ausgeschmückten persönlichen Erinnerungen der Kanzlerin gewürzt:
»Er vollendete die Wiedervereinigung. Plötzlich waren wir gemeinsam Weltmeister. Ich weinte in einer Fußballkneipe in Prenzlauer Berg und verzieh meinem Stasikommilitonen seinen Observationsbericht über die Farbe meiner Unterwäsche.«
Diese Passage bekommt die Kanzlerin nicht mehr rechtzeitig zu lesen, und beim Vortrag im Olympiastadion wird sie vor laufenden Kameras leicht rot.
»Der Mann bringt mich mit seinen Fantasie-Blähungen an den Rand eines Eklats! Warum haben Sie das durchgehen lassen? Die Farbe meiner Unterwäsche, das ist doch irre! Und dann auch noch bei dieser Rede!«
Der Regierungssprecher sieht das genauso, er hat die Passage schlicht überlesen. Wie häufig hatte er schon Angst, dass genau so etwas passiert, weil kein Mensch außer ihm die Texte noch einmal gegenliest. Nun war er da, der Unterhosenskandal.
Er malte sich schon aus, wie Medien den Fauxpas ausschlachten würden: »Eklat um unseren Franz!« (Abendzeitung München) ; »Des Kaisers alte Kleider« (Süddeutsche Zeitung) ; »Schmutzige Wäsche für den Kaiser« (Bild) oder »Wenn das Private politisch wird«, wie die Feuilletonisten schreiben würden. Wie man es auch drehte und wendete, hier gab es gar keine Rettung von wegen, es war alles nur ein Missverständnis. Und was außerdem, wenn Reporter den Unterwäsche-Stasistudenten ausfindig machen wollten und es den gar nicht gäbe?
»Die Sache hat das Zeug zum Wäsche-Gate«, faucht die Büroleiterin im Auto.
»Mann, Mann, so etwas kann mich die Wahl kosten«, zischt die Kanzlerin hinterher.
»Abwarten«, kontert der Regierungssprecher und ist von sich selbst überrascht. In einem Anflug von jugendlicher Dreistigkeit verkündet er: »Die Sache wird uns helfen!«
Aus München noch ruft er den Chefredakteur der Bild -Zeitung an.
»Was macht ihr auf?«, fragt er erst einmal sondierend.
»Ich dachte an ›Kaiserin ohne Kleider‹!«
Pause. Der Regierungssprecher sackt in sich zusammen, es verschlägt ihm die Sprache.
»Kleiner Scherz«, tönt es aber gleich aus dem Hörer. »Die Unterhose lassen wir in der Schublade. Die ist heute Nebensache.«
»Können wir da noch was draus machen in der nächsten Woche?«
»Woran denkst du?«
Beide duzen sich seit dem Bild -Zeitungs-Sommerfest, als der Regierungssprecher dem Chefredakteur gesagt hat, er sei mächtiger als die Kanzlerin.
»Na, an eine Geschichte, wie die Kanzlerin Stasiopfer wurde. Selbst an
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