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Heimstrasse 52

Heimstrasse 52

Titel: Heimstrasse 52 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selim Oezdogan
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du gesehen, was ich dafür hingeblättert habe? Sechs Scheine, einfach so dahin, das sauer verdiente Geld. Nur damit sich unsere Verwandten mal in Ruhe eine Scheibe Brot rösten können und ein gut gebügeltes Hemd tragen. Als würde es nicht reichen, dass du mir das Geld aus der Tasche gezogen hast, um diese Dinge zu kaufen. Sollen sie doch anziehen, was sie wollen, Nyltest oder was. Ist mir doch scheißegal, ich buckle |132| doch nicht, damit es denen gutgeht. Weit über tausend Mark hat uns der Kram nun gekostet. Wie viele Nächte hätte ich damit spielen können? Wie viel Lottoscheine kann man damit ausfüllen? Was kann man nicht alles Schönes mit tausend Mark machen, anstatt sich Elektroschrott zu kaufen, den man auch noch teuer verzollen muss. Das tut mir in der Seele weh. Wie viele Stunden habe ich dafür geschuftet.
    Aber wenn wir zu Hause sind: Kein Wort darüber, was an der Grenze geschehen ist. Verstehst du? Kein Wort zu niemandem. Schärf das auch den Kindern ein. Ich will den ganzen Urlaub lang nichts mehr davon hören. Nichts, brüllt er.
    Irgendwann verstummt er, doch seine Wut hält ihn wach bis ans Ende der Reise. Am späten Abend kommen sie in ihre Heimatstadt, Fuat isst nichts, trinkt nur ein Glas Wasser, lehnt den Rakı ab und raucht die letzte Zigarette des Tages nicht mal bis zu Ende, er möchte nur noch ins Bett.
     
    Er sieht ein wenig aus wie ein kleiner Junge, der einen großen Geschäftsmann spielt, denn ab und zu kann Fuat ein kindliches Grinsen nicht unterdrücken, während er seinen Schwiegervater durch den Rohbau des Hauses führt. Den Arbeitern gegenüber, die Elektroleitungen verlegen oder mit kleineren Verputzarbeiten beschäftigt sind, gibt er sich wohlwollend.
    – Gute Arbeit haben die Jungs geleistet, sagt er, es sieht wirklich nach was aus. Nicht so vollendete Handwerker wie die Deutschen, die außerdem pünktlich fertig gewesen wären, aber was will man machen. Das hier ist die Türkei, aber hier, bei diesem Bau, wurde nicht gepfuscht. Da bezahle ich lieber ein wenig mehr, dabei müssten die eigentlich mich bezahlen, weil ich denen beibringe, was Wertarbeit ist. Nicht umsonst haben wir uns nun jahrelang in der Fremde geschunden. Das ist keine Lehmhütte, das ist ein richtiges solides Haus, da werden noch meine Enkel drin wohnen und deren Enkel. |133| Hier haben wir eine Toilette, alaturka, wie wir es gewöhnt sind, aber hier gegenüber haben wir noch eine, ein richtiges europäisches Wasserklosett. So kann jeder, wie er möchte. Aber hier kann man sich hinsetzen und in Ruhe seine Zeitung lesen. Wenn du es beim Scheißen bequem hast, dann hast du es geschafft.
    Fuat deutet das Lächeln auf den Lippen des Schmieds falsch. Was er für Anerkennung hält, ist in Wirklichkeit Vorfreude.
    – Das Haus ist ja nun so gut wie fertig, sagt der Schmied, eine Woche vielleicht noch oder zwei. Von mir aus drei. Und dann kommt ihr wieder und wohnt hier?
    – Nein, sagt Fuat, nein, wir haben ja nicht ausgesorgt, nur weil wir nun ein Haus haben. Wir lassen noch ein Stockwerk draufsetzen, damit wir vermieten können, damit wir ein Einkommen haben.
    – Ein Stockwerk, der Rest steht, das dauert keine sechs Monate.
    Doch das Lächeln auf Timurs Lippen ist bereits erstorben.
    – Und die Kinder gehen noch zur Schule, die haben sich an das System drüben gewöhnt. Sie bekommen eine gute Bildung, die Schule ist da nicht einfach Auswendiglernerei wie bei uns, die lernen wirklich zu denken. Wenn es Jungen wären … Weißt du, diese Jungen, die jetzt dort aufwachsen und zur Schule gehen und später zur Universität, sie sind die Zukunft dieses Landes. Die werden alle zurückkommen und helfen, dieses Land zu einem der fortschrittlichsten Länder auf der Welt zu machen. Noch fünfzehn, zwanzig Jahre, dann werden wir so groß sein wie Amerika, du wirst sehen.
    – Wenn Gott mir so viel Zeit zugesteht, murmelt Timur, ohne dass Fuat es versteht. Euer Leben wird also in der Fremde vergehen, sagt er nun etwas lauter, verloren unter Menschen, die eine andere Sprache sprechen.
    |134| – Nur noch ein paar Jahre, so Gott will.
    Nur noch ein paar Jahre, in denen Timur und Gül sich in jedem Sommer nur knapp sechs Wochen sehen.
    – Und hier, sagt Fuat, hier wird das Besucherzimmer sein.
    Als er den Gesichtsausdruck seines Schwiegervaters sieht, sagt er:
    – Du kennst doch Besucherzimmer, wo man Gäste empfängt.
    – Ja, natürlich, sagt der Schmied. Gibt es so etwas auch in Deutschland?
    – Nein, sagt Fuat,

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