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Heimweh nach dem Ort, an dem ich bin

Heimweh nach dem Ort, an dem ich bin

Titel: Heimweh nach dem Ort, an dem ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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mich an und sagte: »Kannst du eine Weile stillhalten?«
    »Sicher«, sagte ich, und sie kringelte sich rund, legte den Schwanz
um sich und die Pfoten nebeneinander auf meinen Schenkel und schaute ins Tal.
Das heißt, ich nahm an, dass sie ins Tal schaute, ich sah ihr Gesicht nicht.
    »Sehr aufgeräumt siehst du aus«, sagte ich.
    Sie gähnte.
     
    ˜
     
    Irgendwo knarrte eine Gartentür, quietschte und schloss
sich mit einem Klappern. Und noch bevor ich so recht begriff, dass ich nun doch
wieder geschlafen hatte, dass die Sonne hinter den Hügeln verschwunden und Isso
von meinem Schoß gesprungen und um die Ecke geflitzt war, hörte ich eine Stimme
meinen Namen sagen, und dann stand eine Frau mit Pferdeschwanz vor mir, die
nach Gartenarbeit aussah: Jeans, ein kariertes, abgetragenes Hemd und alte
Turnschuhe ohne Schnürsenkel.
    »Habe ich Sie jetzt aufgeweckt?«, fragte sie.
    »Nicht schlimm«, sagte ich, »hallo.«
    »Ich bin Carmen Seelig, Ihre Vermieterin, ich wollte mich mal
vorstellen, weil Sie doch den Schlüssel in der Bäckerei abholen mussten. Wir
sind erst seit heute Morgen aus dem Urlaub zurück, und ich wollte sehen, ob
alles in Ordnung ist, ob Sie was brauchen oder so, nein gar nicht wahr, ich
wollte einfach Guten Tag sagen.« Sie nahm die Hand hinter ihrem Rücken hervor,
darin hielt sie eine Flasche Rotwein. »Und den hier überreichen.«
    Inzwischen stand ich, und inzwischen war ich auch relativ wach, also
nahm ich zuerst ihre Hand und schüttelte sie, dann den Wein, den sie mir
hinhielt. »Danke«, sagte ich, »das ist nett. Ist der von hier?«
    »Nein, die Roten sind hier nicht so der Hit, jedenfalls nicht für
meinen Geschmack, und weil ich dachte, Sie mögen lieber Roten, habe ich ein altes
Geschenk umfunktioniert. Er sollte was taugen. Brunello.«
    Wach genug, um meiner Manieren sicher zu sein, war ich noch nicht,
aber so viel Kinderstube, dass ich sie zu einem Schluck einlud, stand mir
immerhin als Reflex zur Verfügung.
    »Gern«, sagte sie, aber sie störe mich doch sicher, wenn ich meine
Ruhe haben wolle, sei das auch in Ordnung.
    »Die hab ich bis jetzt gehabt, und die hab ich dann nachher gleich
wieder«, sagte ich, »jetzt freu ich mich über Gesellschaft.«
    »Wenn’s Ihnen recht ist, hol ich Gläser und den Korkenzieher«, sagte
sie, »ich weiß, wo alles ist«, und sie verschwand im Haus.
    »Wieso dachten Sie, dass ich Rotwein lieber mag?«, fragte ich, als
sie wieder vor mir stand.
    »Ich habe Sie gegoogelt.«
    Wortlos ging ich in die Küche und ließ sie einfach da stehen mit den
Gläsern – ich brauchte eine Auszeit. Und wenn es nur die Minute war, die das
Herausnehmen von Peperoni, Oliven und einem Stückchen Pecorino, einem Teller,
einem Messer und einem halben Baguette benötigt, diese Minute brauchte ich. Wenn
sie mich gegoogelt hatte, dann kannte sie das Geschwätz über mich, die
Aufregung, den Skandal, der mir das Leben in den letzten Wochen so verleidet
hatte, dass ich geflohen war, um eine Weile unsichtbar zu sein.
    »Hier«, sagte ich, als ich wieder auf der Terrasse stand, »das passt
noch dazu.«
    Sie hatte die Flasche geöffnet und eingeschenkt und reichte mir ein
Glas. Sie hob ihres und sah mir in die Augen. »Auf Ihr Versteck«, sagte sie,
»ich halte dicht.«
    »Danke«, sagte ich und gab mir Mühe, den Blick nicht zu senken, »es
ist übrigens nicht so, wie es breitgetreten wird.«
    »Sie haben gar nicht abgeschrieben?«
    »Nein.«
    »Ich finde das nicht so überwältigend schlimm. Das empörte Getue
leuchtet mir nicht ein.«
    »Ich fände es auch nicht besonders schlimm«, sagte ich, »nur, ich
bin nicht so blöd. Dass man das jetzt von mir glauben kann, macht mich noch
zusätzlich verrückt.«
    »Wieso stehen dann in Ihrem Buch dieselben Sätze wie in diesem
amerikanischen?«
    »Sie waren ursprünglich als Zitate gekennzeichnet, aber der Verleger
wollte nicht so viel kursiv gesetzt haben, deshalb habe ich all die Stellen in
den Fließtext integriert.«
    »Dann wird er das doch aufklären, oder?«
    »Ich erreiche ihn nicht, er gibt keinen Ton von sich, und inzwischen
glaube ich, er lässt mich ins Messer laufen.«
    »Prost«, sagte sie und trank einen Schluck.
    »Ja«, sagte ich und tat es ihr nach.
    »Daran kann ihm doch eigentlich nicht gelegen sein. Wenn sein Autor
als Plagiator dasteht und sein Buch per einstweiliger Verfügung gestoppt wird,
das kann ihm doch nicht passen, oder?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich versteh’s auch nicht.«
    Ich wollte

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