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Heimweh nach dem Ort, an dem ich bin

Heimweh nach dem Ort, an dem ich bin

Titel: Heimweh nach dem Ort, an dem ich bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Fellpflege.
    »Geht’s mir gut«, sagte ich.
    Sie schnurrte.
    Dann legte sie sich neben mich, ihre Brust an meinem Oberarm und
eine Pfote auf meinem Unterarm. Ihr Schnurren war beruhigende Musik und mischte
sich mit dem Geräusch der Bienen oder Hummeln, die ich noch immer nicht sah,
aber jetzt auch nicht mehr suchte. Was ich vor Augen hatte, war mir schön
genug.
    »Hast du einen Namen?«, fragte ich nach einer ziemlich langen Zeit.
    »Wir haben nur einen Geruch. Das reicht bei uns. Aber nenn mich
ruhig, wie du möchtest. Mir ist jeder Name recht.«
    »Flecki?«
    »Das musst du mit dir selbst ausmachen. Wenn du den Namen gut
findest, dann heiße ich so. Kein Problem.«
    Ich gehöre eigentlich zu der Sorte von Menschen, die ihre Katzen
irgendwie ironisch tauft, weil sie sich der eigenen Zuneigung schämt, sich
vielleicht gar davor ängstigt und deshalb gewollt nüchtern gibt. Ein so
kindlich-zärtlicher Name wie Flecki wäre mir früher nicht in den Sinn gekommen
– eher irgendwas Verzicktes und verquält Albernes wie Kopernikus, Elvis, Frau
Müller oder Erynnie. Um nur ja nicht von etwaigen Besuchern für sentimental
gehalten zu werden. Als ob der Ausdruck von Liebe automatisch auf Kitsch
rauslaufen müsste. Oder als ob Liebe zu einem Tier eine Art Verfehlung wäre,
etwas Blamables, Peinliches, Zweitklassiges.
    »Schön, dich zu spüren, Flecki«, sagte ich, und ihr Schnurren wurde
von einem erneuten Gähnen unterbrochen, das mit einem Klacken des Gebisses
endete.
    »Gleichfalls«, sagte sie und schnurrte weiter.
    »Unter Menschen geht so was nicht«, sagte ich, »jedenfalls nicht
unter Fremden – dass man sich einfach aneinanderschmiegt und freundliche
Geräusche dazu macht.«
    »Ist auch unter Katzen nicht direkt üblich.«
    »Nein? Wieso eigentlich nicht?«
    »Isso.«
    »Wie?«
    »Das. Ist. So.«
    »Ach so. Isso. Klar.«
    »Und bestimmt ist es eher gut so«, sagte sie, »zumindest bei euch.
Stell dir die Missverständnisse vor, die daraus entstehen würden. Du fährst mit
dem Zug durch die Nacht, und die Person auf dem Sitz neben dir legt ihren Kopf
in deinen Schoß und schläft. Dazu lässt sie noch vertrauensvoll ihre Hand auf
deinem Schenkel liegen – wie fühlt sich der Gedanke an?«
    »Du hast recht«, sagte ich, »nur mit sehr viel Zusätzlichem
erträglich. Nein, eigentlich gar nicht erträglich. Was auch immer ich mir dazu
denke – es ist eine Frau, sie ist schön, ich bin einsam und auf der Suche, sie
ist ungebunden und mit mir schon fündig geworden, sie ist nicht nur schön, sondern
auch klug und mild, genau der Mensch, mit dem ich verbunden sein will,
verbunden sein kann, sie denkt dasselbe von mir, wir haben beide die Statur,
einander durch alle künftigen Verwandlungen hindurch zu begleiten, und so
weiter, und so weiter – es geht nicht. Unmöglich.«
    »Nur zwischen Menschen und Katzen.«
    »Und da auch nur zwischen manchen, oder?«
    »Jetzt hast du’s«, sagte sie, »nur bei denen, die echt was
Besonderes sind.«
    »Weil sie telepathisch dolmetschen?«
    »Das würde ich nicht direkt zur Voraussetzung machen – es ginge auch
ohne Gespräch. Überhaupt ist es eigentlich auch nichts Besonderes, was
Besonderes zu sein.«
    »Und wie meinst du das nun wieder?«
    »Wir Katzen sind alle was Besonderes, und die Menschen, die das
bemerkt haben, auch. Fertig. Isso. Kein komplizierter Gedanke.«
    »Mir wird schwindlig. Du bist eine Rabulistin.«
    »Nein, ich bin nur die erste Katze mit Humor, der du begegnest –
zumindest die erste, bei der du’s merkst.«
    »Du verarschst mich also doch.«
    »Wenn du das Verarschen nennst.«
    »Was denn sonst?«
    »Verbale Zärtlichkeit vielleicht? Plaudern? Ein Streicheln mit
Worten, ohne gleich allzu ranschmeißerisch zu sein?«
    »Na dann. Gut, dass wir darüber gesprochen haben.«
    »Sollen wir ein bisschen schlafen? Es ist so schön warm.«
    Sie gähnte wieder, streckte sich und sah mich an.
    »Ja. Machen wir«, sagte ich und kletterte auf den Holzstoß, legte
mich hin, einen Arm unter den Kopf, den anderen so ausgestreckt, dass sie sich
dranschmiegen konnte – sie tat es, schnurrte wieder, und ich spürte ihre
Krallen, die sich in mein Handgelenk bohrten. Es war nicht sonderlich bequem,
fühlte sich aber dennoch sehr, sehr gut an. Ich schlief ein.
     
    ˜
     
    Es war überhaupt nicht bequem gewesen, das wurde mir klar,
als ich aufwachte und vor mir zwei kichernde Mädchen und ein ängstlich
dreinblickender Junge standen, alle drei mit Fahrrädern

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