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Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot

Titel: Heinrich Mueller 04 - Gnadenbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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worden.«
    »Wenn du so weitermachst, bist du bald der Einzige, der übrig bleibt.«
    »Das ist ein schlechter Witz.«
    »Ich mache keine Witze«, sagte der Polizist. »Ich sorge mich um dein Überleben.«
    Sie waren in Bulle von der Autobahn gefahren und umkurvten das Städtchen auf einer Straße mit einem Dutzend Kreiseln, die wochentags zum Engpass für den gesamten Verkehr wurden. In der Ferne ragte das Schloss Greyerz – oder Gruyères –, das dem Weltmeisterkäse seinen Namen geliehen hatte, vor der Bergmauer auf. Auf einem Felssporn platziert, schottete es das Eingangstor in die Freiburger Bergwelt ab.
    Sie fuhren weiter den Talgrund entlang, bis die Straße bei Montbovon zwischen Felswände gepresst und stets schmaler, steiler und kurvenreicher wurde, parallel zur Einspurbahnlinie, die über Château d’Oex nach Gstaad führte. Vor diesen bekannten Orten führte der Weg nach rechts die Bergflanke hoch ins Etivaz, wo im Sommer der Greyerzer gleichen Namens produziert wird, ein Alpkäse höchster Qualität.
    Wenn man die Weiden rundherum anschaute, sich die Kühe vorstellte, wie sie sich am feuchten, kräuterreichen Nachtgras gütlich taten, frühmorgens gemolken wurden, wie dann die Milch in kleinen Kesseln über dem Holzfeuer erhitzt wurde und die Zehnkilogrammlaibe im wohltemperierten Keller reiften, lief einem schon beim reinen Gedanken an den köstlichen Käse das Wasser im Munde zusammen. Bis mindestens November musste man warten, um den Jungkäse zu probieren, den Einjährigen kostete man zu einem Glas schweren Rotwein und zu Walliser Roggen-Nussbrot, den noch älteren schickte man über einen Hobel, damit er zu eleganten Rollen wurde, die man unter die Nase hielt, um den köstlichen Geruch tief einzuziehen und um den Käse danach mit der Hand in den Mund zu schieben.
    Sie erreichten Les Mosses, wo Spring in die Höhe zeigte und zwei Alphütten anvisierte, die aber schnell wieder aus dem Blickfeld verschwanden.
    »1.900 Meter. Dort hinauf geht’s.«
    Die Passstraße neigte sich bereits ins Waadtland hinunter gegen Aigle zu. Über den Walliser Alpen lagen dichte Wolken, während für die beiden nach wie vor die Sonne schien.
    »Geburtstagswetter«, sagte Bernhard. Dann lenkte er den Wagen nach rechts, legte in Heinrichs Schoß ein paar Ausdrucke, die er aus Google Earth vergrößert hatte und die an allen heiklen Abzweigungen mit roten Kringeln versehen waren. Sie verfuhren sich nur einmal, als das autobreite Asphaltband sich nach links hoch wuchtete, dann aber ging es flott voran, sie rumpelten über Kuhroste und passierten Wendeschlaufen von Skiliftseilen, bis sie endlich auf einer Kiesplattform zum Stehen kamen.
    Über ihnen lag ein Wald, noch höher trat der nackte Fels zu Tage, der über sich ein Grasplateau trug, von dem aus es nur noch steil aufwärts ging. Sie machten sich auf den Weg und erreichten die Alp Dorchaux nach knapp 40 Minuten. Sie grüßten den Senn, der mit einer Schaufel vor der Hütte stand und ihnen einen Kaffee anbot. Willkommene Verschnaufpause für alle drei.
    »Es kommen nur alle paar Tage vereinzelt Wanderer vorbei«, sagte der Bauer. »Manchmal wird es einsam hier oben.«
    Er hatte die alten Hütten zusammen mit seiner Familie von innen her ausgebaut und wohnlich eingerichtet. Allerdings blieb noch viel zu tun. Housi stellte den beiden seine Frau Natalie vor, die den beiden Bernern die alte Küche mit der rußigen Feuerstelle und der daran anschließenden getäferten ehemaligen Schlafkammer zeigte. Auf dem Holz fanden sich Zeichnungen und Inschriften von ganzen Sennergenerationen, im Kerzenlicht mit Bunt-oder Kohlestift sorgfältig auf das Holz gezeichnet und datiert, zurückreichend bis ins späte 19. Jahrhundert.
    Anschließend stiegen Spring und Müller ganz hoch bis zur Krete, über eine immer steiler aufsteigende Wiese, die irgendwann zu stark anstieg, als dass die Kühe das Gras noch abfressen konnten. Nun zeigte sich die Vielfalt der Kräuter und Blumen, die in dieser baumlosen Höhe wuchs. Nur die Ziegen würden sich daran gütlich tun.
    Da der Mensch ein Räuber ist, taten sie es nun den Tieren gleich, setzten sich auf den höchsten Punkt, blickten in den schwindelerregenden Abgrund auf der anderen Seite, wo der Fels Hunderte von Metern senkrecht abfiel, und packten die geräucherte Ziegentrockenwurst aus, die Natalie ihnen in die Hand gedrückt hatte, »damit ihr wisst, was ihr esst«.
    Heinrich Müller konnte ein leichtes Unwohlsein und Schwindelgefühle erst

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