Heinrich Mueller 05 - Mordswein
Hintermänner dabei, die in der Öffentlichkeit nicht auftreten. Das stört uns an sich nicht, widerspricht jedoch den Aussagen des Parteisekretärs.«
»Und das zweite?«
»Es gibt vier Versicherte, die im Todesfall gegenseitig als Nutznießer auftreten, oder, muss ich sagen, vierseitig. Und jetzt kommt’s: Eure beiden Toten gehören auch dazu.«
Müller stieß einen Pfiff aus. »Endlich eine Spur. Das kann kein Zufall mehr sein! Wer sind die beiden andern?«
»Die beiden Opfer sind Hubert Welsch und Henri Knecht, und die beiden Überlebenden, also die mit je zwei Millionen Franken Begünstigten, heißen: André Huber und Claude Eckstein. Sagen Ihnen die Namen etwas?«
»Eigentlich nicht«, antwortete Müller, »jedenfalls sind sie auf der nationalen Politbühne nicht aufgetreten.«
»Genau das meine ich auch. Gehen Sie behutsam vor. Noch wissen weder die Familien der Opfer noch die beiden Lebenden etwas davon, dass Sie Kenntnis von den Policen haben. Das ergibt vielleicht im entscheidenden Moment einen Überraschungseffekt.«
So saßen also Bernhard Spring und Heinrich Müller bereits wieder gemeinsam im Auto und fuhren nach Biel. Am Albert-Anker-Weg parkten sie den Wagen, schräg gegenüber dem idyllisch an der Schüss gelegenen Restaurant ›L’Ecluse‹, das in einem ehemaligen Elektrizitätswerk untergebracht war.
Renate Welsch öffnete die Wohnungstür im ersten Stock und war sichtlich eingeschüchtert, als sich der Störfahnder aus Bern vorstellte.
»Ihre Kollegen aus Biel haben mich schon befragt«, sagte sie, »aber kommen Sie doch erst einmal rein.«
Die Weiber sind der Sauerteig des Hauses, und von ihnen nimmt das ganze Haus Geschmack und Geruch an.
Im Wohnzimmer, das gegen einen kleinen Garten hinaus ging, wurden sie aufgefordert, Platz zu nehmen. Frau Welsch blieb stehen.
»Wir haben den Bericht gelesen«, erklärte Spring.
»Stimmt etwas nicht damit?«, fragte die Angesprochene.
»Doch, sicher. Aber wir haben neue Erkenntnisse, die wir gerne mit Ihnen besprechen würden.«
»Sie haben bestimmt in der Zeitung gelesen«, sagte Müller, »dass in Neuchâtel ein Henri Knecht erschossen worden ist. Kennen Sie ihn?«
Renate Welsch klammerte sich am Sofa fest. »Nur flüchtig. Als ich den Bericht gesehen habe, dachte ich sofort an einen Zusammenhang mit dem Tod meines Mannes. Aber ich kann es mir nicht erklären.«
»Überlassen Sie die Erklärungen uns«, meinte der Störfahnder. »Welcher Art war die Beziehung der beiden Männer?«
»Soweit mir bekannt ist, nicht besonders eng. Gut, beide waren Mitglied der SEBP, mein Mann übte eine Aufgabe in der Parteileitung aus, und Henri Knecht war Großrat, also haben sie zwangsläufig ab und zu an Parteianlässen miteinander zu tun gehabt.«
»Nichts konkret Geschäftliches?«, fragte Müller.
»Also, in den Geschäften meines Mannes kenne ich mich nicht aus. Da hat er stets ein Geheimnis darum gemacht. Er hat gesagt, sie seien vertraulich. Wenn die Konkurrenz zu früh von gewissen Vereinbarungen höre, würden sie hinfällig«, erklärte Frau Welsch. »Aber glauben Sie nicht alles, was er den ganzen Tag vor sich hin fabuliert hat. Ich denke eher, er wollte sich nicht eingestehen, dass er in seiner Karriereplanung stecken geblieben ist und keine Chance mehr gehabt hat, die Leiter höher zu steigen. Deshalb hat er auch bei mir derart herumgedruckst. Ich meine, Geld hat er ja genug nach Hause gebracht, daran lag’s nicht. Aber Hubert war durchgehend Pedant, und er konnte es nicht leiden, wenn er eine Sache nicht so zu Ende bringen konnte, wie er sie geplant hatte.«
Sie schwieg ein paar Minuten. Müller bewunderte ein Gemälde, das wie im Museum beschriftet war: Ernst Samuel Geiger (1878-1965): ›Blick auf den stillen Bielersee‹.
›Ja, ist er denn sonst laut und lärmig?‹, fragte er sich, als Frau Welsch endlich weiterredete.
»Wissen Sie, ich hätte mich gerne eingemischt, aber letztlich war es auch für mich bequemer, das benötigte Geld einfach abzuheben und mich nicht darum zu kümmern, woher es kam. So habe ich mich meinen eigenen Interessen widmen können.«
»Also keine bekannten Feinde?«, hakte der Detektiv nach. »Ich meine, echte Feinde, die einen gezielten Anschlag auf ihren Mann vorbereitet hätten?«
»Nein.«
»Kennen Sie auch André Huber und Claude Eckstein?«, wollte der Störfahnder wissen.
Nun wurde Renate Welsch bleich und setzte sich auf den Fauteuil neben der Anrichte. »Ist ihnen auch etwas
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