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Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Titel: Heinrich Mueller 05 - Mordswein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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die Stadt Bern außerhalb ihrer ehrenwerten bürgerlichen Einwohnerschaft als das angesehenste ›Blumenboot‹ bekannt ist, ich meine nicht das der Schweiz, sondern von Europa.
    Diese von Bären beschützte Stadt ist von Tauben bevölkert, und sie vereint die unterschiedlichsten und vollkommensten Elemente der Galanterie. Sie enthält nicht nur Freudenhäuser, Oasen, wo der von den alpinen Höhen ermüdete Reisende Schutz sucht, sondern echte, lebendige völkerkundliche Museen; die gesamte Welt ist hier vertreten durch alle ihre Nationalitäten, ihre Trachten, ihre Lebensgewohnheiten, ihre Bräuche, Fehler, Fantasien, Bizarrerien, Manien, Absonderlichkeiten und Traditionen der Liebeskunst. Das Wissen vergangener Jahrhunderte überträgt sich von einer Zeit zur anderen, und man hätte nie davon gehört, dass die Bewahrerinnen der Wissenschaft der Liebe im Lande Wilhelm Tells um irgendetwas verlegen gewesen wären. Ihr Ruf verdiente, auf die Probe gestellt zu werden, und halb zu Algertons Zerstreuung, halb genährt durch die Hoffnung reisten wir nach Helvetien ab.
    – In Ermangelung des ›Ranz des vaches‹ (Kuhreihen), sagte mir Milord mit einem gequälten Lächeln, werden wir dort wenigstens die Kühe in Reih und Glied sehen.
    Ich möchte gerne glauben, dass sich kein Spott unter diese Worte verirrte.
    *
    Als die Akademie von Bern – ich rede von der bedeutendsten – erfuhr, dass vornehme Reisende die Grenze überschritten hatten, um nach ihren Lichtern zu greifen, gab es einen Schauder von Stolz und Neugier unter ihren edelsten und berühmtesten Mitgliedern. Die Schweizer Gastfreundschaft wollte die Traditionen der schottischen Gastfreundschaft vergessen machen.
    Das Fest, das zu unseren Ehren im ›Ours galant‹, im ›Galanten Bären‹, gegeben wurde, wurde zum Inhalt geheimer Zusammenkünfte von Lord Algerton und der Präsidentin der Gesellschaft. Man weihte mich nicht ins Geheimnis ein, aber ich erriet, dass man einige Dinge vorbereitete. Und wirklich übertraf das internationale Bankett alle Erwartungen durch seine Pracht und seinen Einfallsreichtum. Wir könnten diese schwindelerregende Soirée kaum beschreiben, ohne uns der Übertreibung bezichtigen zu lassen.
    Die vier Kontinente schienen ihre entzückendsten Mädchen nach Bern geschickt zu haben. Es waren Inderinnen mit kupferner Haut, glänzend wie antike Bronzestatuen; gelbhäutige Frauen aus Visapur, von einem so leuchtenden Farbton, dass man sich vergaß und Orangen aß; Malaysierinnen mit spitzen Brüsten; rothäutige Frauen aus Feuerland, wo eine Kreuzung aus Engländern und Einheimischen eine menschliche Nuance vergleichbar mit erkaltendem rotem Stahl hervorgebracht hatte; Mädchen aus Polynesien, gekleidet in Blätter und Blumen, die aus dem irdischen Paradies entkommen schienen und der Schlange hinterher rannten; violette Puppen aus dem Süden Japans; Grönländerinnen, so perlmuttartig, dass sie davon blau wurden; Chinesinnen von der Insel Tchin, deren durchscheinende Haut unter dem Licht zu schimmern begann wie die Hülle von Seifenblasen; Afrikanerinnen schwarz wie Ebenholz, mit schwingenden Brüsten, feuchten Lippen, die diesen strengen Körpergeruch verbreiteten, so furchtbar, dass der Mann, der sich daran gelabt hat, nie mehr davon lassen kann; alle Nuancen, die aus der Hochzeit von Schwarz und Weiß entstanden sind; die 64 Farbvarianten, die der Autor von ›Bug Jargal‹ {8} beschrieben hat, Gradmesser lebender Haut, graziöse Formvorlage, auf der alle Rassen, alle Mischungen durch ihre perfektesten Ausprägungen vertreten waren; patagonische Riesinnen, die einen anschauten, indem sie ihren Blick außer Reichweite senkten, bewundernswerte chinesische Zwerginnen, in Porzellantöpfen aufgezogen, lächelnde Kugeln, die man nirgends greifen konnte; Hirtinnen aus den blauen Bergen, von Kopf bis Fuß in einer derartigen Farbvielfalt tätowiert, dass man beim Betrachten geblendet wurde und sich im Labyrinth, mit dem sie gezeichnet waren, verirrte; – und das alles, ich beschwöre es, das alles war noch gar nichts; alles verblasste, als eine Gruppe Europäerinnen die Salons durchquerte, wie eine Erzählung von jungen Göttinnen …
    Ich habe nie etwas Vergleichbares gesehen! Schweden und Norwegen hatten feingliedrige und melancholische Kreaturen zum Fest geschickt, die als Mondstrahl durchgingen; die Spanierinnen, stolz in die Brust geworfen, sandten Blitze durch die Verästelungen ihrer Fächer; die Russinnen, pelzbedeckt, hatten die

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