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Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Titel: Heinrich Mueller 05 - Mordswein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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passiert?«
    »Noch nicht«, sagte Spring.
    »Hören Sie auf. Sie machen mir Angst. Die vier waren gemeinsam in Twann in der Schule. Das muss in den 70er-Jahren gewesen sein. Damals waren sie unzertrennlich, kleine Jungs, die sich ewige Freundschaft geschworen hatten. Jedenfalls hat mir mein Mann diese Geschichte einmal anvertraut, als er zu viel getrunken hatte. Anderntags musste ich schwören, sie niemandem zu erzählen.«
    »Und die vier haben sich seither nicht mehr aus den Augen verloren?«, erkundigte sich der Polizist.
    »Na ja«, erklärte Frau Welsch, »sie haben sich immer wieder gesehen. Ein dauernder Kontakt bestand nicht. Aber dann sind ja alle vier in die Staatserhaltende BürgerPartei eingetreten und haben sie hier im Seeland groß gemacht.«
    »Gibt es jemanden, der sie aus der gemeinsamen Schulzeit kennt?«, fragte Müller.
    »Ich glaube, ihr Lehrer lebt noch. Letzthin kam eine Würdigung in der Zeitung, er hat seinen Achtzigsten gefeiert. Warten Sie … Ulrich Schneider heißt er, und er wohnt immer noch im Dorf.«
    Müller und Spring schafften es gerade noch, zum Mittagessen nach Schernelz hochzufahren und dort auf der Terrasse des ›Aux Trois Amis‹ hoch über dem See mit Blick auf die wolkenverhangene St. Petersinsel einen letzten Tisch zu ergattern. Die obligaten gebackenen Eglifilets mit Pommes Frites begeisterten den Gaumen, und der leichtfüßige, aromatische Chasselas Clos à l’Abbé in der Bernerflasche vom nahe gelegenen Weingut Steiner gab den Fischen das feuchte Element zurück, aus dem sie gezogen worden waren.
    Konnte man zufriedener sein?
     
    In Twann ließen sie den Wagen beim Bahnhof stehen und gingen zu Fuß durch die enge Dorfgasse, durch die sich vor wenigen Jahrzehnten noch der ganze Verkehr gezwängt hatte. Schließlich bogen sie links zum Burgweg ein, stiegen eine Treppe hoch und fanden den Eingang in ein rebenumranktes Haus, auf dessen Balkon im oberen Stock der Alt-Lehrer bereits auf sie wartete, denn sie hatten sich telefonisch angekündigt.
    »Ein Mann in meinem Alter rennt nicht mehr so weit. Es gibt zwar den einen oder andern im Dorf, die können es nicht lassen, die kaufen sich mit 85 noch ein Generalabonnement, vergnügen sich in der Sauna, beim Gesangsverein, an jeder möglichen Generalversammlung oder in den Restaurants der Tafelgesellschaft ›Zum Goldenen Fisch‹. Aber für mich ist das nichts mehr. Kontemplation, ein paar ruhige Stunden am See, Erinnerungen an bessere Tage. In den Worten von Groucho Marx: ›Auf dem Schoß von armen Leuten hat die Revuetänzerin also nichts zu suchen; trotzdem hoffe ich, dass ich irgendwann mal eine haben darf.‹ {5} «
    »Dann können Sie uns bestimmt mit Ihren Erinnerungen dienen«, erklärte der Störfahnder. »Ich sage Ihnen vier Namen, und Sie sagen mir, was Ihnen dazu einfällt: Hubert Welsch, Henri Knecht, André Huber, Claude Eckstein.«
    Ulrich »Ueli« Schneider brauchte nicht lange nachzudenken. Er kratzte sich am Kopf und sagte: »Ich habe erwartet, dass die Polizei eines Tages hier vorbei kommt. Man hat ja Kenntnis genommen von den Vorfällen der letzten Tage. Die vier waren Lausbuben, die keinen Streich ausgelassen haben, als Einzelne gut zu nehmen, wenn man sie an ihrer Ehre packte, aber als Viererbande unausstehlich. Wir nannten sie nach der gleichzeitig die Volksrepublik China ins Chaos stürzenden Truppe von Parteifunktionären. Natürlich ist der Vergleich in seiner Größenordnung absurd, aber im Ansatz doch wohl richtig. Denn die Bande diktierte das Geschehen nicht nur in der Klasse, sondern im ganzen Dorf. Und – wenn Sie mich schon fragen – sie tun das immer noch innerhalb ihrer Partei.«
    »Das heißt mit anderen Worten, sie hatten jede Menge Feinde«, stellte Müller fest.
    »Bestimmt. Nicht ausgesprochene Feinde, aber hinter vorgehaltener Hand brodelte es.«
    »Und brodelt noch immer?«, fragte Spring.
    »Auch das«, bestätigte Schneider. »Allerdings habe ich keine konkreten Beweise für Machenschaften, die außerhalb der Legalität waren oder sind. Da kann ich Ihnen also nicht weiterhelfen. Aber warten Sie.« Der Mann erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl, die Müdigkeit schoss ihm in die Augen, offenbar hatte auch er einem besonders schmackhaften Gutedel zugesprochen, und er begab sich zu einem offenen Büchergestell, wo er unter einem staubigen Aktenstapel ein Typoskript hervorzog.
    »Das gebe ich Ihnen mit. Ich habe es vor 20 Jahren entdeckt, als ich mich durch die französische

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