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Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Titel: Heinrich Mueller 05 - Mordswein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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eben das unfehlbare Orakel von Delphi befragt hatten und von Pythias das Zauberwort verlangten, das Geheimnis der Geheimnisse, die Wahrheit über diese mysteriöse ›Diligence de Lyon‹, welche die Obsession und der Alptraum seines Lebens geworden war.
    Der Tumult war so gewaltig, dass die Worte des Engländers zuerst ungehört blieben. Möglicherweise überdeckte man seine Worte durch Hurras, die explodierten, als er den gefährlichen Begriff aussprach. Diese seltsame Idee ging durch meinen Geist, als ich die Vorsitzende sah, die es bestimmt gehört hatte, wie sie versuchte, ihn abzulenken und dem Gespräch eine andere Richtung zu geben.
    Aber wenn der Lord etwas im Kopf hatte, hatte er es nicht in den Füßen. Er zerschlug sein Glas, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und richtete sich direkt an die Gastgeberin. Diese schaute ihn mit einem verdüsterten Blick an und erwiderte mit einem vulgären Aufstoßen: Du gehst mir auf den Sack! Lachen wir, amüsieren wir uns, aber weiter soll es nicht führen. Ich wollte dir ein Bankett offerieren, weil du es bezahlst, weil du ein eleganter Mann bist. Aber man soll nicht zu weit suchen. Man hat mir bereits gesagt, dass du bekloppt seist, ich beklage es. Suche deine Postkutsche, wo du willst und – halt die Schnauze! Ich hab’s gesagt, und damit hat sich’s, Milord, auf Ihr Wohl!
    Diese ungebührliche Antwort wurde mit Beklemmung gehört; das passte derart nicht mit den Ehrerbietungen zusammen, deren Ziel wir gewesen waren, dass ich aus der Fassung geriet.
    Kälte breitete sich aus. Nachdem man uns mit Begeisterung aufgenommen hatte, schien man uns nun vor die Tür setzen zu wollen.
    Lord Algerton schluckte seinen Zorn herunter, verlangte eine Erklärung für diese unerwartete Rede. Er bemerkte, dass er sich anständig ausgedrückt und dass er das Recht auf eine angemessene Antwort habe. Er drohte weiter damit, alles durcheinanderzubringen, wenn man seiner Frage ausweiche.«
     
    Das Ganze eskaliert, Algerton beruft sich darauf, 1.000 Guineen bezahlt zu haben, und wenn man ihm das Geheimnis weiterhin verhülle, setze er das gesamte Etablissement in Brand. Danach folgt ein unrühmlicher Abgang in Bern, und die weitere Geschichte führt unsere beiden Helden zurück nach Paris, wo Lord Algerton nach zahlreichen Irrungen und Wirrungen tatsächlich das Geheimnis um die ›Diligence de Lyon‹ {13} lüftet, es aber gleich mit ins Grab nimmt.

Freitag, 30.7.2010
    Was soll man sagen. Da war nun beinahe schon Gras über die Sache gewachsen, die Polizei glaubte, in Ruhe ihre Arbeit tun zu können. Da kam es wie aus heiterem Himmel einem Gratisblatt in den Sinn, dem Fall die Titelseite zu widmen.
    Saurere Gurken hatte man nie gekostet als diese Aufbereitung überholter Nachrichten. Aber wer nur die News las, hatte auch diese am andern Tag bereits vergessen. Alle Ereignisse wurden zu Singularitäten. Man regte sich auf, gab irgendjemandem die Schuld, nur nicht sich selber, und am nächsten Morgen stürzte man sich auf den Folgeskandal.
    Jedenfalls behauptete die Gratiszeitung, Post vom Mörder erhalten zu haben. Der nämlich hatte ihr exklusiv eine Todesliste zugestellt. Auf dieser Liste standen – nummeriert und alphabetisch geordnet – ein Dutzend Namen von Exponenten der Staatserhaltenden BürgerPartei.
    »Was für ein Zufall«, stellte Leonie fest, nachdem sie die 20 Zeilen zur Kenntnis genommen hatte.
    »Da sind ja alle Führungsmitglieder mit dabei!«, wunderte sich Nicole.
    »Hm«, brummte Heinrich. Und ich schwöre, er würde es hassen, »hm« in einem Kriminalroman lesen zu müssen, aber es fiel ihm wirklich nichts Besseres ein.
    »Ein Mörder, der die gesamte Elite der SEBP auslöschen möchte?«, fragte Leonie. »Was ist denn das für ein Unsinn!«
    »Das wird die Partei leider nicht davon abhalten, mit einer großflächig gestreuten Inseratenkampagne auf Wählerfang zu gehen«, sagte Müller und genehmigte sich einen kräftigen Schluck Xellent Swiss Vodka, den er aus der roten, gegen unten schmaler zulaufenden Flasche ausschenkte, das Einzige, worauf er ein Schweizer Gütesiegel widerspruchslos ertrug.
     
    »Glauben Sie nicht, dass ich mich ins Bockshorn jagen lasse«, las Bernhard Spring in einem Fax, das ihn heute Morgen erreicht hatte, aufgegeben auf einem öffentlichen iMac über einen Scanner. Zwecklos, irgendetwas zurückzuverfolgen. Der Text ging so weiter: »Dass der Parteichef Martin Wiederkehr auf der Liste steht, wird ihm zwar schmeicheln, ist aber

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