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Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Titel: Heinrich Mueller 05 - Mordswein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
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nicht wahrnehmen, wenn wir uns nicht seinem Wertesystem nähern?«
    »Jedenfalls nicht vollständig. Aber das ist auch nicht nötig. Wir müssen nur das mythische Umfeld eingrenzen können, denn irgendwer in seiner Umgebung wird seine schleichende Veränderung bemerkt haben.«
    »Welche Veränderung?«
    »Die ihn zu den Morden getrieben hat. Er wird wohl kaum aus Spaß eine Wolfsfalle gegraben haben.«
    Auf der Terrasse des ›Bären‹ führten sie ihre Unterhaltung fort, nachdem sie einen Fischteller und einen Halben Weißen bestellt hatten. Blau-grün gesprenkelt lagen die Rebberge hinter ihnen, denn erste Winzer hatten aus Angst vor Vogelfraß bereits Netze über die Trauben gespannt. Heinrich blickte in Nicoles stahlgraue Augen und bewunderte den Zickzackscheitel in ihren schulterlangen kastanienbraunen Haaren.
    »Könnte die Staatserhaltende BürgerPartei ein Teil des Mythos sein? Ich habe gehört, dass sie in dieser Winzergegend gegründet worden ist.«
    Nicole wiegelte ab. »Die Partei als solche sicher nicht, aber vielleicht, was sie in einem bestimmten Menschen an Hoffnungen geweckt hat. Es ist wie in der Philosophie von Jean-Jacques Rousseau. Die Menschen sind im Naturzustand weder gut noch schlecht, da sie untereinander weder irgendeine Art sozialer Beziehung noch bewusste Verpflichtungen eingegangen sind. Sie sind friedliche, nicht aggressive Wesen. Sie kennen aber ebenso wenig die Bedeutung von Recht und Unrecht oder einen persönlichen Besitz.«
    »Paradiesische Zustände«, seufzte Müller.
    »Ja, aber sobald der Mensch den Naturzustand verlässt, muss er die Beziehungen mittels eines Gesellschaftsvertrages regeln. Nur so ist ein Zusammenleben möglich. Das wäre der Mythos, der unablässig wiederholt wird.«
    »Wie der Refrain in einem Song«, bestätigte der Detektiv.
    »Genau. Wer aber den Gesellschaftsvertrag verletzt, hat nicht nur einen einzelnen Menschen verletzt, sondern den Naturzustand unmöglich gemacht. Jedenfalls in der Gedankenwelt unseres Täters«, erläuterte Nicole.
    »Deswegen muss er bestraft werden«, folgerte Heinrich.
    »Da haben wir uns allerdings von Rousseau entfernt, oder wir haben ihn ins 21. Jahrhundert gebeamt.«
    »Möglicherweise entsteht in diesem Zusammenhang eine Verwirrung im Täter, die er nicht mehr überblickt. Dann hilft auch keine Partei mehr.«
    »Die Frage ist, ob es überhaupt noch eine Sicherheit gibt«, sagte Nicole und nippte an ihrem Glas.
    »Nach der konsequenten Umsetzung der Taten zu schätzen, ist jedenfalls eine entscheidende Grenze überschritten. Die Frage ist nur, welche.«
    Der graue Gewitterhimmel, der sich am Horizont in das Pastellgelb der sinkenden Sonne auflöste: ein Caspar David Friedrich.

Montag, 2.8.2010
    Bis zum Egelsee hätten es Bernhard Spring und Pascale Meyer nicht weit gehabt, hätten … Aber die junge Kollegin bestand auf dem Einsatz des neuen GPS-gesteuerten Navigationsgeräts.
    »Wir haben doch eine Karte«, versuchte der Störfahnder einzuwenden.
    Er blieb chancenlos.
    »Seither sind bestimmt wieder ein paar neue Einbahnstraßen hinzugekommen«, sagte Pascale. »Nichts ist blöder, als sich in seiner eigenen Stadt zu verfahren.«
    Als sie allerdings zum zweiten Mal um den Doppelkreisel am Burgenziel kurvten, zerrte Spring doch den Stadtplan hervor und brummte: »Das stammt aus einer Zeit, als die Menschheit noch nicht digital behindert war.«
    Nach einer weiteren Ehrenrunde fanden sie den Teich im Osten der Stadt hinter dem Entsorgungshof doch noch. Dem See blieb nur noch eine kleine Lücke zwischen den nahe gerückten Häuserfronten. 50 Meter breit und 200 Meter lang schaute er in trübem Grün in den Himmel. Ein Wunder, dass sich noch ein paar Enten in der Nähe des Kindergartens wohlfühlten.
    Ernst Glauser, Sekretär der Staatserhaltenden BürgerPartei SEBP, empfing sie bei sich zu Hause, denn er erklärte, er wolle im Bundeshaus kein unnötiges Aufsehen erregen. Den angebotenen Wein lehnten die Polizisten jedoch ab. Das Zimmer, in das sie der gut 40-Jährige führte, konnte sich wie sein Bewohner nicht zwischen altertümlich und modern entscheiden. Gelblich verrauchte Tapeten erinnerten an die alte Dame, die jahrzehntelang ihre ägyptischen Zigaretten anbrannte, welche sie zur häufigen Lektüre von Agatha Christie genoss. Daneben eine zimmerhohe Tür mit undurchsichtigem Bruchglas. Eine ockergelbe Chaiselongue fläzte sich diagonal im Raum, daneben ein fleckiger Stuhl und ein Tischchen aus dem Sperrmüll. Ernst

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