Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Titel: Heinrich Mueller 05 - Mordswein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Lascaux
Vom Netzwerk:
ihre Theorien betrifft als auch in ihren Subjekten, denn ein Mensch gehört normalerweise mehreren Systemen gleichzeitig an.«
    »Weshalb aber betrifft denn der Voodoo-Ritus nur systemkonforme Personen?«
    »Weil es dort um eine Wechselwirkung geht, zu der alle Beteiligten ihren Beitrag leisten müssen, das heißt Maßnahmen sind gegenüber einem unbeteiligten Objekt nicht wirksam. Wenn mich zum Beispiel der Papst exkommuniziert, geht mir das als Atheistin am Arsch vorbei.«
    »Füdli«, meinte Leonie. »Man sagt Füdli, nicht Arsch.«
    »Verklemmte Tante«, flüsterte Phoebe.
    »Nicht verklemmt, in ihrem System gefangen«, sagte Melinda.
    »Es muss aber doch ein paar dauerhafte Elemente geben, die eine Gesellschaft zusammenhalten«, meinte der Störfahnder.
    »›Es muss … geben‹, sagt Paul Feyerabend, ›ist eine Ausrede für Leute, die keine Argumente haben‹«, zitierte Nicole Himmel.
    »Wir sollten also das System erkennen, in dem sich Täter und Opfer bewegen und das sie alle anerkennen«, folgerte Spring.
    »Wenn es existiert, wäre es bestimmt hilfreich, möglicherweise würde es bereits eine Erklärung liefern«, antwortete Nicole.
    »Der Täter nimmt also einen bestimmten Standpunkt ein?«
    »Ja.«
    »Und er glaubt«, schloss Bernhard, »dass sein Standpunkt moralischer ist als derjenige seiner Opfer?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Wie kommt er zu dieser Ansicht?«, fragte Müller.
    »Wohl durch eine Verletzung seiner Prinzipien, an der seine Opfer beteiligt waren oder immer noch sind«, erklärte Nicole.
    Spring sagte: »Es geht also um Rache?«
    »Es geht eher um das Zurechtrücken des Systems, das durch irgendwelche Handlungen gestört worden ist.«
    »Nicht um Gut und Böse?«, wollte Müller wissen.
    Nicole entgegnete: »Das wäre zu kurz gegriffen. Wenn ›gut‹ und ›böse‹ klare Kategorien wären, könnte man die Täter anzeigen und sie von der Justiz aburteilen lassen.«
    »Es liegen also keine klaren Verbrechen vor«, erwiderte der Störfahnder.
    »Nicht im Sinne des Gesetzes, sondern im Wertesystem dessen, der sich als Opfer fühlt und deswegen zum Täter wird.«
    Spring überlegte: »Und wenn wir dieses Wertesystem teilen und das, was ihm widerfahren ist, auch als Ungerechtigkeit ansehen?«
    »Es dürfte schwierig werden«, sagte Müller, »Werte zu teilen, die das Ermorden von Menschen ermöglichen.«
    »Und es würde dem Täter immer noch nicht erlauben, mit einer noch größeren Ungerechtigkeit darauf zu antworten, und der Tod eines Menschen ist wohl die größte Ungerechtigkeit überhaupt. Deshalb weiß er, dass er von uns kein Mitleid zu erwarten hat.«
    »Egal, welcher Verbrechen er sich schuldig gemacht hat?«, fragte Spring nach.
    »Egal«, bestätigte Nicole. »Außerdem ist uns in diesem Zusammenhang kein Verbrechen bekannt, das eine so extreme Handlungsweise auslösen würde. Das Wertesystem des Täters muss ziemlich durcheinandergeraten sein.«
    »Mein Wertesystem ist bereits am Auseinanderfallen«, deklarierte Gwendolin, »wenn es nicht bald ein paar Kohlehydrate, etwas Alkohol und eine Rauchpause kriegt.«
    »Mädels, wo bleibt denn der Gesundheitswahn?«, scherzte Leonie.
    »Kein Witz«, moserte Gwendolin. »Gesundheit war gestern.«
    »Wenn man’s bis 20 nicht geschafft hat, bleibt eh keine Hoffnung«, seufzte Phoebe.
    »Ja, dann …«, sagte Heinrich.
    »Halt! Zwei Jahre hab ich noch.«
    »Nachher«, erklärte Melinda, »brauchst du einen, der in deinem System lebt und sich nur auf dich orientiert. Hast du doch eben gehört. Sonst klappt’s nicht.«
    »Eine Zweierbeziehung?«, fragte Gwendolin entsetzt.

Freitag, 13.8.2010
    »Sie werden kaum mit mir über meine Weltsicht debattieren wollen«, begann das vierte Schreiben, das Bernhard Spring auf seinem Schreibtisch vorfand. »Da ich aber ein beträchtliches Risiko eingehe, indem ich Ihnen überhaupt schreibe, müssen Sie mich wohl oder übel anhören. Ich kann vermeiden, dass es Fingerabdrücke auf dem Papier gibt, ich verwende selbstklebende Couverts und ebensolche Briefmarken, und ich hoffe durchaus, dass Sie noch nicht im Besitz der neuesten kriminalistischen Technik sind, nämlich des bakteriellen Fingerabdrucks. Dafür müssten Sie zwar erst einen Vergleich mit meinen Händen machen, aber ich kann nicht ausschließen, dass Sie in irgendeiner Großfahndung auch auf meine Person aufmerksam werden. Gut, es gibt noch einzelne Probleme mit dem neuen Verfahren, aber wenn es nicht nötig ist, behalte ich die Bakterien lieber

Weitere Kostenlose Bücher