Heinrich Mueller 05 - Mordswein
weiblichen Krimihelden. Deswegen vermisste Nicole ihren Liebling von der Knochenbrecher AG: Kathy Reichs mit Temperance Brennan, wobei sie fand, dass der Gegensatz zwischen den Figuren erst in der TV-Serie zum Tragen kam: hier der ewig verliebte, konservative, gläubige FBI-Agent Seeley Booth, da die herrlich anarchistisch-atheistisch-autistische ›Bones‹. In dieser Art, wenn auch zu einer anderen Zeit, hatte doch auch Heinrich Gretler 1939 erst im Film von Leopold Lindtberg der Figur des Wachtmeisters Studer von Friedrich Glauser zum Durchbruch verholfen. Manchmal konnte eine Verfilmung doch einiges zur Klärung einer literarischen Konzeption beitragen.
Dann griff Nicole zu ein paar neuen Krimis. Sie war einem der Verlage äußerst dankbar, dass er ›Lesezeichen‹ auf den Kartonstreifen geschrieben hatte, der dem Buch beilag. Sie hätte ihn für sonst was missbraucht! Mit der Lektüre wollte sie über die Langeweile hinweglesen, aber es war bereits Ersatzlangeweile da.
Schließlich überlegte sie, was sie über die Trinkgewohnheiten von Detektiven aus der Erinnerung kramen konnte. Georges Simenons Commissaire Jules Maigret trank regelmäßig ein Glas Bier, genau wie der Mann, dem er zum Vorbild wurde, nämlich Wachtmeister Studer. Da sie kein Bier im Haus hatte, wollte sie keinen dieser Romane lesen. Also griff sie zu einem Whisky – einem Glenmorangie Quinta Ruban, der in einem Portweinfass gereift war –, um sich auf die Lektüre von Raymond Chandler gebührend vorzubereiten. Da bestellte doch dieser Philip Marlowe einen Bacardi-Cocktail! Sie fühlte sich betrogen. Denn zum Lesen eines tollen Krimis gehörte das Getränk, das die Hauptfigur bevorzugte. Joshua Croft bei Walter Satterthwait gab das genaueste Rezept: »Jack Daniel’s mit Eis und ein Glas Wasser.« Mo Hayders Detective Inspector Jack Caffery trank Glenmorangie (war sie deshalb auf diesen Single Malt gestoßen?). Paul Brenner von Anne Chaplet endlich bevorzugte einen Rheingauer Riesling, am liebsten von Breuer. Leider aber war dieses Getränk im ›Bauch & Kopf‹ nicht vorrätig, man hatte gar noch nie etwas davon gehört. Heinrich Müller allerdings mochte Absinthe, und davon stand eine Flasche an der Bar. Sie schenkte sich ein großzügiges Glas La Clandestine ein, goss Eiswasser nach und stieg wieder in ihre Wohnung zur weiteren Lektüre hoch.
Sie besaß fein geschwungene dunkle Lippen in einem verschmierten Ton zwischen Kirschrot und Preiselbeersaft. Aus dunklen, fast schwarzen Augen schaute sie ihn an, schüttelte ihre zusammengebundenen schwarzen Haare. Aus ihrem Gesicht strahlte ein unsicheres Lächeln. Heinrich Müller hätte sich am liebsten sofort in sie verliebt und viel gegeben für einen Kuss von diesen Lippen.
Leider lautete sein Auftrag, ein Inserat aufzugeben, und nicht, mit einer schönen Dame zu flirten. Als Detektiv wusste er, was er zu tun hatte. Als Mann war er sich da nicht ganz sicher. Aber er schaffte es, die gefährlichen Klippen zu umsegeln. Die Odyssee war ein Klacks dagegen.
Der Text des Inserates lautete: »Wir nehmen die Wette an. Die Wolfsfalle war ein künstlerischer Beginn. Der Tod auf der Terrasse etwas undurchsichtig. Und über den Preis sollten wir uns noch einigen. Geben Sie uns Ihren Einsatz bekannt und schreiben Sie uns, wo das nächste Treffen stattfindet. Wir können es nämlich nicht ausstehen, wenn wir es mit unordentlichen Menschen zu tun haben, die nicht wissen, wo sie ihre Schlüssel hingelegt haben und deswegen einen Auftrag verhauen. Schicken Sie uns eine Ihrer Trophäen als Beweis, dass Sie es ernst meinen.«
Sonntag, 15.8.2010
Wenn die Katze Gras frisst, gibt es schlechtes Wetter.
Putzt sich die Katze, so kann mit Besuch gerechnet werden.
Fährt sie sich mit den Pfoten über die Ohren, handelt es sich bei diesem Besuch um einen angenehmen Gast.
Keine Bauernregel aber sagte, was geschehen würde, wenn man eine mumifizierte Katze findet. Und schon gar nicht, wenn es drei davon sind.
Denn genau das geschah an diesem Sonntagmorgen in Twann. Ein süßer, schimmlig-modriger Geruch schwerer Erde und feuchter, lang getragener Wollkleidung mischte sich mit den Vorstellungen, die man sich von einer Wasserleiche macht, aufschwärmende Fliegen, der Gestank fauligen Strohs.
Man muss allerdings sagen, dass die Katzen, deren Fellfarbe man nicht genau rekonstruieren konnte, nicht besonders gut mumifiziert waren. Um genau zu sein, lagen sie unter einem schmalen Erdhügel und waren bloß deshalb
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