Heinrich Mueller 05 - Mordswein
verkauft hat. Nun sind sie im Besitz einer Winzergemeinschaft.«
»Hat nicht auch der Welsch Hubert dazugehört?«, fragte einer der Umstehenden, der das Gespräch verfolgte.
»Ja, und der andere«, antwortete eine Frau, »der in Neuenburg erschossen worden ist.«
»Und vielleicht auch André Huber und Claude Eckstein?«, ergänzte Müller.
»Kann schon sein«, sagte der zuerst Angesprochene. »Wer will das wissen?«
»Diesen Blöchlinger müsst ihr im Auge behalten, der hat die Kombinationsgabe, aus dem wird noch was!«, begann der nächste Brief, der den Störfahnder erreichte. »Ja, ich habe mich einen Augenblick lang damit befasst, Hubert Welsch nicht nur zu pfählen, sondern ihn wie einen ägyptischen Pharao zu mumifizieren. Zu viel der Ehre, zu viel des Aufwands. Dann dachte ich daran, ihn wie eine Moorleiche aussehen zu lassen. Dazu hätte es genügt, die Wolfsgrube wieder zuzuschütten. Aber Sie haben es selbst gesehen: Das Katzenexperiment ist grandios gescheitert. Und Hubert? Den hätte man womöglich nie gefunden. Was soll denn das für eine Inszenierung sein, wenn der artistische Ausdruck nicht gewürdigt wird? Da könnte man ihn gleich irgendwo verscharren, ohne den Umweg über eine Fallgrube. Gut, es tut mir Leid um die Tiere, die einzigen Unschuldigen. Aber große Kunst erfordert Opfer. Es werden nicht die letzten sein.«
Dienstag, 17.8.2010
»Ernst Glauser hat die Reben von seinem Vater geerbt«, erklärte der Winzer, in dessen kühlen Gewölben Heinrich Müller an einer Degustation des neuen Jahrgangs Platz genommen hatte. »Die andern vier haben einzelne kleine Parzellen gekauft. Vor ein paar Jahren haben sie auch Glausers Rebberg übernommen, allerdings nicht in ihrem eigenen Namen, sondern als Kellerei SEBP. Sie wollten einen Parteiwein kreieren, worüber hier alle nur gelacht haben. Bei der Rebgüterzusammenlegung ist es ihnen gelungen, die einzelnen Parzellen abzutauschen gegen eine wohl kleinere, aber zusammenhängende und besser gelegene.«
»Diejenige, die vorgestern verhagelt wurde?«
»Genau. Der Ertrag war gut, und ich glaube, sie haben richtig Geld damit gemacht. Wenn die Partei einkauft, ist der Absatz gesichert.«
»Es geht also weniger um Politik?«, fragte Müller.
»Die Staatserhaltende BürgerPartei ist natürlich das politische Aushängeschild, in erster Linie aber ein Wirtschaftsunternehmen. Normalerweise profitieren die Mitglieder nicht von der Partei, indem sie ihr Waren verkaufen, sondern indem sie zu Subventionsempfängern aus der Staatskasse werden.«
Die hübsche Tochter des Hauses setzte sich neben Heinrich Müller und streifte mit ihrer Brust an seinem Ellbogen vorbei, was von ihrer Seite her sehr nett gedacht war. Sie hatte blondes Haar und leicht traurige rehbraune Augen und war mit einem derart seltsamen Vornamen versehen, dass er ihn gleich wieder vergaß.
»Weshalb hat Ernst Glauser seine Hausreben verkauft?«
»Das sind Gerüchte. Man macht das entweder aus Not, oder weil man zwei linke Hände hat. Bei Glauser war es beides. Das Winzerjahr ist lang. Es beginnt im Spätwinter mit dem ersten Schnitt der Reben. Dann müssen Mauern gerichtet, Drahtzüge repariert, der Boden muss gepflügt werden. Man begradigt eine Parzelle, reißt ausgelaugte Stöcke aus und pflanzt neue Sorten, deren Ertrag man erst in einigen Jahren abschätzen kann. Im Frühjahr müssen die Ranken aufgebunden und Geiztriebe entfernt werden. In der Blütezeit ist besondere Vorsicht geboten, Nachtfröste können eine ganze Ernte zerstören. Dann muss je nach Witterung bewässert werden, manchmal braucht es den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, das mit dem Helikopter über den Weinberg gesprüht wird. Zur Ertragsbeschränkung schneidet man gezielt Trauben weg. Und im Herbst erfolgt als Höhepunkt die Lese der reifen Trauben. Im Anschluss beginnt die Arbeit im Weinkeller: Pressen, Gären, Ausbau im Stahltank oder Eichenfass, Abfüllen des Weins und schließlich die Vermarktung bei den Kunden … kurz zusammengefasst.«
Müller nahm zur Sicherheit einen Schluck und lobte die Frische und die Frucht des vor ihm stehenden Freisamers.
»Ernst Glauser war mit diesen Abläufen völlig überfordert. Ich glaube, er hat keinen einzigen trinkbaren Jahrgang gekeltert, stets lief etwas schief, mal waren die Trauben nicht reif, dann gab es Rückstände im Fass, und als für einmal alles in Ordnung schien, waren die Flaschen nicht sauber. Ein Drama!«
»Die Ansprüche an einen Parteisekretär sind
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