Heinrich Mueller 05 - Mordswein
Schusswaffen« und ein Fotoalbum, das einen fröhlichen Knaben zeigte, der in einem Weinberg herumtollte.
Müller durchstöberte die Computerdateien. Es waren aber so viele, dass er in der kurzen Zeit nicht wusste, wo er suchen sollte.
»Keine Bekennerbriefe?«, fragte Spring.
»Jedenfalls nicht auf dem Desktop. Ich könnte ja eine Kopie ziehen, aber bei der Datenmenge dauert das Stunden, und dann kriegen wir die gesamte Propaganda der SEBP. Gib mir einen Tipp.«
»Kopier die E-Mail-Dateien der vergangenen zwei Monate.«
»Gut. Und ich nehme noch die letzten geöffneten Dokumente aus Word und Excel auf den Stick sowie den Verlauf der besuchten Websites.«
»Kontoführung gibt es keine? Wenn wir schon bei den andern kaum belastendes Material gefunden haben, gäben Glausers Finanzen vielleicht etwas her.«
»Fertig«, sagte der Detektiv.
Auf der Fahrt nach Twann sichtete Müller die Computerdateien. »Bekennerschreiben negativ, Konto ebenfalls. Einen Haufen E-Mails mit einer Swetlana, vereinzelte mit der Viererbande. Larmoyantes Gesülze und geschäftliche Abmachungen. Da hat ihn wohl jemand verlassen, und Huber möchte sein Geld zurückhaben.«
»Keine Drohungen?«
»Eher Rechtfertigungen. Ein Masochist, wenn du mich fragst.«
Heute fuhren sie direkt vor das Wohnhaus von Ulrich Schneider. Der pensionierte Lehrer öffnete und erschrak. »Sie kommen unangemeldet.«
»Wollten Sie gerade verreisen?«, fragte der Störfahnder.
»Nein, nein«, beeilte er sich. »Ich bin etwas unpässlich.«
Es war der weiße Bart, der Heinrich Müller irritierte. Woher bloß stammte die Mode mit den bis auf die Kinnpartie ausrasierten Bärten, die er bereits in seiner Jugend ausschließlich bei Lehrern beobachtet hatte? Damals hatte er geglaubt, sie sei den griechischen Philosophen abgeschaut, den Stoikern vielleicht, denn so hatte der Mann auf die erste Anfrage des Detektivs reagiert: ruhig und bescheiden und gespannt. Ein strenger, gerader Blick empfing ihn aus einem kantigen Gesicht. Aber heute waren Schneiders Augen müde.
»Ernst Glauser ist zwei Jahre jünger als die Viererbande«, erzählte der Lehrer. »Er hat die Leute immer bewundert und ist ihnen nachgelaufen wie ein treuer Hund. Sie konnten ihn schicken, wohin sie wollten. Er hat gehorcht.«
»Was ist für ihn dabei abgefallen?«, wollte Müller wissen.
»In jungen Jahren außer dem Respekt seiner Klassenkameraden nicht viel«, seufzte Schneider. »Später, als all die Mädchengeschichten begannen, haben die Jungs die nicht mehr genehmen Bräute zu Ernst abgeschoben. Aber wie sein Name schon sagt: Er hat kaum jemals bei einer landen können.«
»Er hat aber auch seine Stelle als Parteisekretär den vieren zu verdanken?«
»Ja, sicher. Er hat ihnen alles zu verdanken, auch seine persönlichen Demütigungen und den finanziellen Verlust, das Desaster mit seinem Rebberg und die schlecht bezahlte Stelle in der Partei.«
»Ein Mordmotiv?«, fragte der Störfahnder.
»Wer weiß! Wenn einer über Jahrzehnte nur einstecken muss, staut sich einiges auf. Eine Affekthandlung, warum nicht. Aber so sorgfältig vorbereitete Taten?«
»Bemühen Sie sich nicht weiter«, ließ sich eine Stimme aus dem Hintergrund vernehmen, »Sie haben genug für uns getan.«
Müllers und Springs Überraschung war enorm, als Claude Eckstein aus dem nebenan liegenden Zimmer trat.
»Ueli Schneider war seit vielen Jahren so etwas wie mein Beichtvater«, erklärte der Händler. »Ich wollte reinen Tisch machen.«
»Weshalb?«
»In der Gegend kursieren Gerüchte, die unsern Alltag beschwerlich machen. Seit nun beinahe 30 Jahren gelten wir vier als verschworene Gemeinschaft, als Bösewichte, die Ernst Glauser auf dem Gewissen haben.«
»Das stimmt nicht?«, erkundigte sich Spring.
»Eins nach dem andern«, erwiderte Eckstein. »Wir haben uns mit 15 Blutsbrüderschaft geschworen, indianermäßig halt, aber es hat sich in uns festgekrallt, auch als unsere Interessen längst auseinanderdrifteten. Auf dem Weg hinauf nach Gaicht haben wir in einen tief liegenden Ast einer Blutbuche unsere vier Gesichter geritzt, als Mahnung an unsere Feinde. Beinahe Kinderkram.«
»Aber jetzt ist daraus Ernst geworden?«
»Es scheint so.«
»Es scheint so?«, wunderte sich Müller. »Und das, nachdem Hubert Welsch nahe eben dieser Blutbuche umgebracht worden ist?«
»Ich war seither nicht mehr dort. In Gaicht zum Essen, aber um den Baum habe ich einen Bogen gemacht.«
»Vergessen konnten Sie ihn jedoch
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