Heinrich Mueller 05 - Mordswein
nicht.«
»Nein. Keiner von uns wird dazu in der Lage sein.« Er schwitzte stark.
»Sie haben Angst?«, fragte Spring.
»Ja, klar. Hätten Sie an meiner Stelle keine Angst?«
»Ich weiß ja nicht, womit Sie es zu tun haben.«
Schneider atmete hörbar aus.
»Es gab illegale Geschäfte. Und es gibt sie heute noch.«
»Welcher Art?«
»Kulturgüterschmuggel …«
»Genauer!«
»Aus oder über Osteuropa kommt vieles, das private Sammler und gierige Museen interessiert.«
»Davon hat Hubert Welsch profitiert?«, wollte der Störfahnder wissen.
»Er war der Hehler, hat die wertvollen Stücke weiterverkauft und ab und zu für seine eigene Sammlung etwas abgezweigt.«
»Und?«
»Gefälschte Pässe.«
»Für die Aufenthaltsbewilligungen Ihrer Prostiuierten?«
»Ja.«
»Lassen Sie sich nicht alles aus der Nase ziehen!«
Eckstein erklärte: »Wir haben sie als Tänzerinnen für Nachtclubs angemeldet. Dafür gibt es befristete Bewilligungen. Die Damen haben auch die Kunstwerke im Gepäck mitgeführt. Die Geschäfte ergänzen sich.«
»Wer hat die Pässe hergestellt?«
»Ernst Glauser. Dafür haben wir jeweils eine Prostituierte zu seiner Verfügung gestellt. Das Dumme war nur, dass er sich in diese Swetlana verliebt hat. Darunter leidet sofort die Zuverlässigkeit.«
»Sie wollten ihn also beseitigen?«
»Nicht beseitigen, aber unter Druck setzen. Wir hätten ihn noch gebraucht.«
»Jetzt scheint es, dass er Ihnen zuvorgekommen ist.«
»Ja. Obwohl es mir natürlich lieber wäre, wenn noch jemand anders für die Morde infrage käme.«
»Sagen Sie jetzt bitte nicht ›Russenmafia‹.«
»Keine Angst. Es ist mir bewusst, dass die keine so originellen Inszenierungen basteln würden. Dann ginge es rasch und gnadenlos.«
Der alte Lehrer war bleich auf dem Fauteuil zusammengesunken und murmelte: »So weit hat es kommen müssen …«
»André Huber trauen Sie die Morde nicht zu?«
»Doch, zutrauen würde ich sie ihm schon, aber bestellte Morde, das ist eher nicht sein Ding. So cool und manchmal gefährlich er gegen außen wirkt, so ängstlich achtet er darauf, einmal erreichte Privilegien zu bewahren und zu verteidigen.«
»Also Ernst Glauser.«
»Ernst Glauser«, wiederholte Ulrich Schneider und nickte mit dem Kopf, »der Tagträumer.«
Freitag, 20.8.2010
Leonie Kaltenrieder hatte sich die Sache anders vorgestellt. Das heißt, sie hatte sich überhaupt nichts vorgestellt. Jedenfalls nichts, das sie an ihrem Unterfangen hätte zweifeln lassen. Nun war es zu spät. Sie war eben in Twann aus dem Zug gestiegen und begab sich zum Parkplatz vor dem Hotel ›Fontana‹. Dort sollte ein blauer Renault mit Neuenburger Kennzeichen stehen.
Er stand dort. Leonie stieg ein und begrüßte Ernst Glauser.
»Schön, dass du kommen konntest«, sagte er, »damit hätte ich nicht gerechnet. Ich konnte ja nicht alles am Telefon erklären.«
»Ich war auch nicht sicher, ob das wirklich sinnvoll ist«, erwiderte Leonie, bevor sie den Sicherheitsgurt festzurrte. Sie hatte im ›Bauch & Kopf‹ einen Zettel hinterlegt mit der Nachricht, dass sie übers Wochenende wegfahren würde, um den Kopf frei zu kriegen.
»Hör auf dein eigenes Gewissen, nicht auf die Meinungen der anderen Leute.«
»Entschuldige, aber das ist mir zu esoterisch«, erklärte sie. »Wohin fahren wir?«
»Wir nehmen die Straße nach Lamboing, auf der man in Dürrenmatts Krimi den Wagen mit dem toten Polizeileutnant Ulrich Schmied gefunden hat. Dann fahren wir weiter in Richtung Chasseral. Ich habe eine Unterkunft auf dem Hochplateau von Diesse gemietet.«
Sie fuhren an Diesse vorbei und hielten kurz vor Nods bei einem alten Bauernhaus, in das Ernst Leonie geleitete. Er hatte alles vorbereitet, was es für einen netten Abend brauchte. Kerzenlicht, Esswaren vom Feinsten, aber kalt, ein paar gute Weine zur Auswahl.
»Es soll uns an nichts fehlen«, meinte er.
Leonie bewunderte das sorgsame Arrangement.
Als sie mit dem Essen zu Ende waren, sagte Glauser: »Ich möchte eine Beichte ablegen, aber da ich nicht religiös bin und sonst niemanden kenne, dem ich vertrauen kann, möchte ich es vor dir tun.«
Leonie schwieg bekümmert, denn sie wusste nicht, worauf dies alles hinauslief. »Was wirst du nach deiner Beichte tun?«, rang sie sich schließlich ab.
»Das entscheide ich, wenn es so weit ist. Jetzt hör erst einmal zu.« Er setzte sich auf die rechte Seite eines rostroten Sofas und bat Leonie, gegenüber in einem Sessel Platz zu nehmen.
»Seit
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