Heinrich Spoerl
vorgenommen, ganz ruhig zu bleiben, aber er weiß genau, was er sagen wird.
Zunächst allerdings muß er warten. Es sind allerhand Damen zu bedienen, Damen, die ebensoviel Zeit wie Ansprüche haben. Sie lassen sich die verwickelte Anwendung der verschiedenen Wässer, Öle und Fette erklären, für morgens und Abends und mittags und Nachts; Seifen werden beschnuppert, Puder probiert und gemischt und nochmals probiert. Knittel hört zwitschernde Reden und exaltiertes Getue, als wenn es um das nackte Leben ginge und nicht um ein Stückchen Haut. Er würde laut lachen, wenn ihm nicht rechtzeitig einfiele, daß ihm todernst zumute ist.
Als er schließlich an die Reihe kommt, ist sein gestauter Groll noch etliche Atmosphären gestiegen. Aber inzwischen ist neue Kundschaft gekommen, er muß seine rhetorischen Fragen flüstern, und so bleiben sie ohne Wirkung. Das Fräulein kräuselt leise die Lippen und tut fremd. »Was wünscht der Herr bitte?« Und bedient weiter.
Knittel will kein Aufsehen. Aber als der Laden einen Augenblick leer ist, schließt er die Tür von innen ab und baut sich breit vor der Undankbaren auf: »So, jetzt bin ich hier!«
Das Fräulein sieht ihn mit kalten Augen an. »Bitte?«
Knittel läßt seinen Unmut von Stapel: Wie sie sich das eigentlich denke, und wer dieser Jüngling sei, und warum der und nicht er, und ob sie sich einbilde, er hätte ihr den Laden zum Vergnügen gekauft?
»Zum Vergnügen, das weiß ich nicht, aber ich kann mir nicht denken, daß du dabei irgendwelche Nebenabsichten gehabt hast. Wo du überhaupt verheiratet bist.« – Knittel fühlt sich auf den Kopf gehauen und wird ausfallend: »Das geht dich einen Dreck an!« Um so kühler bleibt das Fräulein. »Jedenfalls bin ich nicht so wie du, ich habe meinen Bräutigam, und dem bleibe ich treu, und wenn du meinst, du könntest hier Ansprüche stellen, nur weil du ein bisschen Geld hast – für was hältst du mich überhaupt?«
»Für was ich dich halte, das merkst du doch«, pariert Knittel, »oder soll ich deutlicher werden?«
»Wenn du hier ordinär werden willst, mein Guter, dann müßte ich dich bitten –«
Knittel bebt. »Was, du willst mich hier herausschmeißen, du mich?«
»Herausschmeißen ist vielleicht übertrieben, dazu bin ich leider zu schwach. Aber wenn du wissen willst, wie ich so was mache –«
»Bitte!!«
Sie tritt einen Schritt zurück, pumpt ihre zarte Brust voll Atem, formt den Mund zu einer kreisrunden Öffnung und intoniert – Aahh!! – ein mörderisches Hilfegeschrei, daß die Kristallscheiben klirren und die Leute auf der Straße stehen bleiben.
Es ist ein Rezept erfahrener Frauen, den Mann ins Unrecht zu setzen, noch ehe er angefangen hat. Knittel steht wie ein Sittlichkeitsattentäter in dem durchsichtigen Laden. Draußen gaffen die Menschen und drücken ihre Nasen an den Scheiben platt. Ein großer schöner Schutzmann ist auch schon da und rüttelt die Klinke. Hinter ihm drein flutet die Menge.
Sein geschulter Blick erfasst die Lage. Er hält Knittel beim Handgelenk fest und beugt sich ritterlich zu dem kleinen Fräulein herunter. »Hat er Ihnen was getan?«
»Noch nicht«, sagt sie mit Betonung, tupft sich eine mühsame Träne aus den geschwungenen Wimpern und kuschelt ihren Kopf schutzbedürftig an seine soldatische Brust. »Aber er wollte gerade, der ist zu allem fähig. Sie glauben nicht, wie brutal der ist.« Knittel bekommt rote Streifen auf der Stirn. »Was sagt das Luder, brutal?« Er klappt den Mund ein paar Mal auf und zu, dann fasst er eine Vitrine mit bunten Flakons. »Jetzt will ich dir mal zeigen –« Päng! schmettert sie zu Boden, – »wie brutal ich bin!« Päng! schmettert die zweite Vitrine. Die spiegelnde Herrlichkeit zerspringt in tausend Splitter, auf dem Boden liegen die glitzernden Scherben in einer Lache von kostspieligen Flüssigkeiten.
Scherben bringen nicht nur Glück, sie wirken auch Wunder. Bei dem, der sie schmeißt, und bei denen, die dabeistehen. Der Laden hält den Atem an, sogar der Schutzmann ist starr. Knittel ist durch seine Scherben von seiner Wut befreit. Eine verdächtige Ruhe ist über ihn gekommen, und er weiß gar nicht mehr, warum er sich aufregt. »So, Herr Wachtmeister, jetzt werden Sie feststellen, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, abführen. Stellen Sie lieber erst mal fest, wem der Krempel hier gehört.« Er reißt seine Brieftasche hervor, ein Päckchen Fünfzigmarkscheine fliegt im Bogen mit heraus, und gibt dem
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